• Nathan Leuenberger
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Schande von Muttenz – Isaac Reber: Augenzeugenbericht fernab des Geschehens und Realität

15 Personen wurden in Muttenz während der diesjährigen Bundesfeier vom Schweizer Nachrichtendienst verdächtigt und als gefährlich eingestuft. Unter ihnen meine Wenigkeit, langjähriger Journalist BR, derzeit Redaktor bei barfi.ch. Der Augenzeugen-Bericht wird nun von den Behörden bewusst heruntergespielt und verharmlost. Für Leugnen gäbe es zu viele Zeugen und direkt Betroffene.

  

Zur Erinnerung: Vor der Bundesfeier am 31. August in Muttenz meldeten anonym, bzw. über eine zuvor nur gelegentlich im Netz auftauchende nicht zu verfolgende, «Informanten»: sowohl Rechts- wie Linksextremisten wollen die Feier stören. Am Dienstagmorgen wurde daraufhin entschieden, die Präsenz der Polizei Basel-Landschaft nochmals zu verstärken. So sollte am Fest für Recht und Ordnung gesorgt und allfällige Ausschreitungen unterbunden werden. «Die Ankündigung rechtfertigt auch die Präsenz», sagt Muttenzer Gemeinderat Roger Börlin. 

Die Polizei nahm ihre Aufgabe ernst, sehr ernst. Einfache Personenkontrollen wurden durchgeführt, die maximal drei Minuten dauerten. Das ist in Ordnung. Nicht aber eine etwas spätere grosse Kontrolle von zunächst 15 Personen, die rund eine Stunde lang, vom Festareal entfernt und festgehalten wurden. Die Kontrollierten hatte man teilweise mit Kabelbinder gefesselt, in Kastenwagen gesperrt. Bei 30 Grad Celsius im Freien. Adrian Gaugler, Mediensprecher der Polizei Basel-Landschaft, spricht dabei von einer Einsatzdauer von rund 30 Minuten. Gut zu wissen, dass ich persönlich zu den «Verdächtigten» gehörte und mich ein paar Stunden nach den Vorfällen noch sehr genau daran erinnere, was mir am eigenen Leib widerfahren ist. Als direkt Betroffener, der die Wirklichkeit am eigenen Leib durchmachte, versichere ich bei meiner Berufsehre als Journalist BR: Es dauerte insgesamt rund eine Stunde, bis wir ohne Entschuldigung wieder «frei» gelassen wurden.

Meinrad Stöcklin, ehemaliger Pressesprecher der Polizei BL und langjähriger Präsident der Schweizer Polizeisprecher-Konferenz, meint zu den Vorfällen: «Das hätte man tatsächlich optimaler machen können! Zum Beispiel mit einer "vernünftigen" sichtbaren Präsenzmarkierung mit weiteren Kräften im Hintergrund und dann im Falle eines Zwischenfalls eine sofortige und konsequente Intervention.» Sehr schwierig sei es sicherlich auch für die ausführenden Polizisten gewesen, «welche haarsträubende Befehle von oben ausführen müssen», so Stöcklin.

Wieso wurden wir nicht bloss der einfachen Ausweiskontrolle unterzogen, wie es an dem Abend mehrmals vorkam? Weil wir – so die Erklärung der Polizei - vom Nachrichtendienst, was unser Aussehen betrifft, beschrieben wurden. Zivilpolizisten, die sich auf dem Gelände aufhielten, entschieden dann, wer als potentieller Extremisten einzustufen sei, welche die Feier stören wollen. «Es waren keine willkürlichen Kontrollen, diese Personen gehörten verschiedenen Lagern an», wird Gaugler von der Tageswoche zitiert. Und: «Mit den Kontrollen konnten wir eine Eskalation verhindern. Die Stimmung war zuvor bei einigen Einzelnen etwas angespannt.» Mit anderen Worten: Zivilpolizisten wissen genau wie gefährliche Störer aussehen. Offenbar wie ich, der nun dringend einen Gesichtschirurgen benötigt. 

«Etwas angespannt» waren wir Verdächtigten in der Tat, doch erst, als wir von uniformierten Beamten von unseren Familien losgerissen wurden (meine Person von den eigenen Eltern), um sich einer gründlichen Kontrolle unterziehen zu lassen. 

Und das ist der springende Punkt: Man wurde vom Nachrichtendienst des Bundes scheinbar willkürlich als gefährlich und verdächtig eingestuft, einem extremistischen Lager zugeordnet. Wie sich jedoch nach der strengen Kontrolle herausstellte, stand kein Einziger der Festgehaltenen in irgendeiner Verbindung zur Extremisten-Szene. Man habe trotzdem bei einigen Kontrollierten Gegenstände gefunden, die im Falle einer Eskalation als Waffe hätten eingesetzt werden können, heisst es von Seiten Polizei. Die Rede ist hierbei unmissverständlich von einem kleinen Klappmesser, etwa die Grösse eines Schweizer Militär-Sackmessers. 

Übrigens: Während der ganzen Kontrolle lag mein Rucksack unter der Festgarnitur. Interessiert hat das niemand.

Erschreckend heute dann auch eine weitere Aussage: Hätte ich meinen Presseausweis gezeigt, wäre ich selbstverständlich umgehend in Ruhe gelassen worden. Jemand sieht für Zivilpolizei und Geheimdienst nur solange wie ein Gefährder aus, bis er sich als Journalist zu erkennen gibt. Ich war jedoch jenen Abend privat an der Feier, als Privatperson, kein Grund mich auf die Freiheit der Presse zu berufen. Der Ausweis blieb bewusst in der Brusttasche. Denn was wäre aus meiner Begleitung geworden, die ebenfalls weggeführt und in den Kastenwagen gesperrt wurde? 

Von den Vorkommnissen haben die Organisatoren des Verkehrsvereins nichts mitbekommen. Sie sassen am anderen Ende des Geländes, in den ersten Reihen vor dem gemeinen Volk. Zusammen mit der Bundesrätin und weiteren Vertretern aus Politik und Gesellschaft, unter anderem dem Landratspräsidenten, welchem nichts Bemerkenswertes aufgefallen sein will. Und so lange dem Landratspräsidenten nichts auffällt, kann auch nichts passiert sein. Wer wagt daran zu zweifeln?

Nicht anwesend war übrigens der Baselbieter Sicherheitsdirektor Isaac Reber, dieser weilt noch in den Ferien. So kann er tatsächlich nichts bemerkt haben, oder er verfügt über aussergewöhnliche Fähigkeiten. Denn trotz geographischer Distanz nahm er sich jetzt Zeit für eine schriftliche Beurteilung:

«Die Polizei Basel-Landschaft ist für die Sicherheit im Kanton verantwortlich. Aufgrund ernstzunehmender Hinweise ist Handeln angesagt und notwendig gewesen. Die Baselbieter Polizei handelt, wenn immer möglich proaktiv und nicht erst, wenn etwas geschehen ist. Die Darstellung in barfi.ch entspricht im Übrigen nach meinem Kenntnisstand nur wenig der Realität. So hat etwa der anwesende Landratspräsident die Kontrollen gar nicht wahrgenommen.»

Wohl aber meine Familie, ich und zahlreich weitere Muttenzer Bürger, die diese Zeilen lesen und bestätigen können. Die Kabelbinden hat man ihnen bekanntlich inzwischen abgenommen. Leider sind sie nur einmal zu gebrauchen.

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