Unterstützung bei der Stellensuche, aber nicht für alle. Screenshot Webseite Tandem 50plus
Unterstützung bei der Stellensuche, aber nicht für alle. Screenshot Webseite Tandem 50plus

Tandem 50 Plus für Arbeitslose: «Die helfen nur Akademikern»

Der 56-jährige arbeitslose B.N. ist in Not. Ende Monat wird er ausgesteuert. Über 120 Bewerbungen nutzten dem kaufmännischen Angestellten nichts. Verzweifelt wandte er sich an das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV). Ins Vermittlungsprogramm für über 50-jährige Arbeitslose wurde er nicht aufgenommen, weil er «kein Akademiker» sei.

«Tandem 50 plus liess mich einfach im Regen stehen», sagt der 56-jährige B.N. (Name der Redaktion bekannt). «Meine Situation ist katastrophal, ich weiss nicht mehr, was ich machen soll», seinen letzten Job verlor der kaufmännische Angestellte schon nach einem halben Jahr, weil die Firma damals pleite ging. Hilfe suchte B.N. aus Muttenz nach einem Gespräch mit seinem Berater beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), bei der letzten Oktober ins Leben gerufenen Beratungsstelle Tandem 50 plus. «Das war ein Riesenwitz», sagt B.N.: «Man sagte mir, ich sei zu wenig qualifiziert, die bei Tandem 50plus nehmen nur Akademiker.»

Hilfe nur für Kader 

Über 120 Bewerbungen hat B.N. schon geschrieben, aber es hat nichts genutzt. Deswegen erhoffte er sich Hilfe von der Reinacher Beratungsstelle. Diese betreut in ihrem Programm momentan sechs Arbeitslose. Diese sollen von Mentoren in einem viermonatigen Coaching zurück in den Arbeitsmarkt gebracht werden. In einem Fall sei dies auch gelungen, schreibt Tandem 50 Plus in einer Medienmitteilung. Geschäftsleiterin Michèle Bowley sagt auf Anfrage von barfi.ch: «In einer ersten Phase konzentrieren wir uns auf Stellensuchende mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und entsprechender Weiterbildung im kaufmännischen und Dienstleistungsbereich. Diese arbeiteten in der Regel bereits im unteren Kader oder aufwärts oder waren sehr qualifizierte Sachbearbeitende. Für die weniger qualifizierten Stellensuchenden gibt es bereits andere passende Angebote beim RAV.» B.N. allerdings hatte die Teilnahme am Tandem 50 Plus-Programm mit seinem RAV-Berater abgesprochen, der ihn schliesslich nach Reinach geschickt hatte. Andere Programme für ältere Arbeitslose gibt es in Baselland offenbar nicht. B.N. griff nach dem Strohhalm: «Ich war ein normaler Angestellter und beim Telefongespräch sagte man mir, ich sei zu wenig qualifiziert, da ich keine Kaderstelle gehabt hatte. Das war eine Riesenenttäuschung für mich. Da ich sonst keine andere Möglichkeit hatte.»

Verzweiflung als Herausforderung?

Das von Bowley geleitete Programm im Businessparc erscheint aufwändig: Denn für jeden «ü 50» Arbeitslosen muss ein «freiwilliger» Mentor gefunden werden. Dies seien Führungspersonen, Coaches und Personalfachleute, die den Arbeitslosen als «Wegbegleiter, Vertraute und Mutmacher» begleiten sollen. Das Modell Tandem 50 Plus stammt aus St. Gallen und die Mentoren werden von der Stiftung Benevol in Liestal gesucht. Bei den «Mentoren» handle es sich um einige frisch Pensionierte, die «eine wertvolle Herausforderung in einer neuen Lebensphase» suchen würden.

Das klingt etwas unverbindlich. Auf der einen Seite der verzweifelte Arbeitslose, auf der anderen relaxte Pensionäre, die noch eine «Herausforderung» suchen. Immerhin zeigten sich 18 Freiwillige bereit, ein Tandem zu bilden. Vom RAV wurden dem Programm allerdings sofort 20 Menschen zugewiesen. Michèle Bowley: «Ja, die beschriebenen Zahlen können missverständlich sein. Das RAV meldete uns im letzten Jahr über 20 Stellensuchende. Viele von ihnen konnte ich bereits kennen lernen und weitere Tandems werden noch im Januar gebildet. Wir baten das RAV vor Weihnachten keine weiteren Stellensuchenden zu schicken, so dass es für diese keine zu langen Wartezeiten gibt, wenn wir noch keine passenden Mentoren für sie haben.»

Warten auf den Mentor

Dass sich B.N. abgeschoben vorkommt, erscheint nicht zufällig, andererseits erscheint das Konzept des Kantons etwas widersinnig: Gerade ältere Arbeitslose, die statistisch nicht häufiger, aber sicher länger arbeitslos sind, müssen darauf warten, dass Tandem 50 Plus einen passenden Mentor findet und sie Unterstützung bekommen. Gerade bei diesen Betroffenen ist aber der Frust mit den vielen Bewerbungen besonders gross.Mit dem Fall von B.N. konfrontriert, meint Bowley: «Ich war bisher diesbezüglich nicht allzu streng. Wichtig ist, dass der Interessent sein Interesse an Tandem 50 Plus mit seinem persönlichen RAV-Beratenden anschaut. Dieser hat die Übersicht über die zu verfolgende Strategie, um wieder eine Stelle zu finden. Da ist unser Programm nur eines von verschiedenen Möglichkeiten. Falls der potentielle Kandidat und sein RAV-Berater der Meinung sind, dass Tandem 50 Plus von den restlichen Kriterien her passend sein könnte, kann ihn der RAV-Berater bei mir anmelden und ich lade ihn dann zu einem Kennenlerngespräch ein.» Zwar gibt es verschiedene Programme für Arbeitslose, aber nur wenige, die auf die spezielle Situation der älteren Arbeitslosen zugeschnitten sind.

Unterdessen ist B.N. in seiner Verzweiflung beim Verband «Save 50Plus» gelandet. Hier wird ihm nicht nur Coaching geboten, sondern er wird auch von den selbst Betroffenen, die sich hier organisieren unterstützt. «Save 50Plus» ist eine private Initiative und wird staatlich nicht unterstützt. Für B.N. ist es die letzte Chance, um doch noch einen Job zu finden.