Rechtzeitig abgeflogen und darum nicht im Schlaf erwischt. Eine Taube fliegt auf. Bild: Keystone
Rechtzeitig abgeflogen und darum nicht im Schlaf erwischt. Eine Taube fliegt auf. Bild: Keystone
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Tauben am Basler Bahnhof: Zum Abschuss freigegeben

Die Taube. Sie gehört zum europäischen Stadtbild. In Basel-Stadt suchen zwischen fünf- und achttausend Vögel Nahrung. Einige «Stadttauben» leben in staatlichen Taubenschlägen. Kein Herz für die Tiere hat der Bahnhof. Dort werden sie mitten in der Nacht im Schlaf erschossen.

Es ist spät. Mitternacht ist vorbei. Die Reise im letzten Zug aus Zürich war wie immer mehr oder weniger turbulent. In der Bahnhofshalle vertreiben zwei Taubenjäger in orangen Westen jäh die Müdigkeit. Müde waren auch die Tauben auf den Balken unter dem Bahnhofsdach. Mit einem Luftgewehr zielt der Schütze auf die schlafenden Tiere. Zum Taubenabschuss am Bahnhof sagt SBB-Sprecher Marc Dischoe: «Tauben fühlen sich wohl an Orten mit vielen Menschen und viel Essbarem. Die Dachaufbauten über Perrons sind für sie wie leicht gebirgige Regionen, ihrem ursprünglichen Habitat. Das Dach schützt sie vor ihren natürlichen Feinden, den Greifvögeln. Tauben lieben auch unsere 24-Stunden Take-away-Gesellschaft, die ihnen sehr viel Nahrung zur Verfügung stellt. Darum: Der Abschuss ist die letzte Möglichkeit zur Minimierung des Taubenbestands, wenn alle anderen Massnahmen nicht greifen.»

Stadt hat Abschuss eingestellt

In der Stadt selbst wird seit 2005 nicht mehr geschossen. Bis dahin griff auch die Basler Polizei noch zum Gewehr. Auch «Kastenfallen» wurden noch bis vor elf Jahren von der Polizei aufgestellt. Im Zuge der «Taubenaktion» des Biologen Daniel Haag-Wackernagel wurde die Taubenpopulation reduziert. So dass es in Basel-Stadt noch geschätzte fünf- bis achttausend Tauben gibt. Experte Haag-Wackernagel sagt auch klar, dass weder Abschuss noch Fallen die Taubenpopulation wirksam reduzieren würden. Wirksam sei einzig der Nahrungsentzug. Kurz, die Vögel nicht zu füttern. Zur Basler Taubenaktion gehörte es auch, dass die Stadt einzelne Taubenschläge betreibt, um die Tauben gesund und vorzeigbar zu halten. Das bestätigt auch Andrea Blomenkamp vom Baudepartement: «Wir haben keine gezielten Abwehrmassnahmen gegen Tauben in unseren Grünanlagen. Aktuell beteiligen wir uns an der Basler Taubenaktion, deren prioritäres Ziel es ist, die Fütterung von Tauben zu verringern. Dazu stellen wir die Aktionsplakate an Stellen auf, an denen uns dieses Problem bekannt ist.»

Kot könnte Passanten treffen 

«Plopp!», wieder fällt eine Taube vom Himmel. «Plopp», jetzt fällt die Nächste. Entsorgt werden die toten oder angeschossenen Tiere unsentimental in einem Plastiksack. Kein Wunder führen die Schweizer Bundesbahnen diese Aktion in der Nacht durch. Marc Dischoe: «Solche Aktionen finden nur in Nachtstunden statt, wenn keine Passagiere den Bahnhof frequentieren. Ausgeführt wird dies vom speziell ausgebildeten Taubenjäger der SBB, der schweizweit tätig ist. Taubendezimierungsaktionen sind aber keine SBB Spezialität, sondern werden schweizweit von verschiedenen Behörden immer wieder durchgeführt.»

Neben dem Versuch, die Taubenpopulation im Griff zu behalten, gibt es für den Abschuss am Bahnhof aber noch einen weiteren Grund, wie Marc Dischoe sagt: «Dies geschieht auch im Sinne der Hygiene und Sauberkeit, da der Taubenkot auch Passanten treffen könnte.»Mit der Stadt hat Professort Daniel Haag-Wackernagel die diesjährige «Taubenaktion 2016» lanciert. Dabei wird die Bevölkerung aufgefordert keine Tauben zu füttern. An den Abschüssen der SBB wird er keine Freude haben. Nach Mitternacht am Bahnhof ist auf jeden Fall die Müdigkeit plötzlich verflogen: «Plopp», «plopp», ein kurzer Fall, ein trockenes Klatschen und dann ab in den Plastiksack.