Hallo und tschüss: Durchgangsstreifen Aeschenvorstadt. ©A.Schwald
Hallo und tschüss: Durchgangsstreifen Aeschenvorstadt. ©A.Schwald
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Tote Zone Aeschenvorstadt: Zu gestylt fürs wahre Leben

Die Aeschenvorstadt ist so selbstverständlich Durchgangsstrasse, dass man sie mit Absicht kaum mehr aufsucht – ausser zum Mittagessen in einem der gediegenen Schnellverpfleger. Mit «B.Good» macht jetzt ein neuer Essladen mit gesundem Konzept auf. Die kühl gestylte Tante hat aber noch ganz anderes nötig.

Die Meile ist keine Schönheit. Durch ihre Mitte rattern unablässig Trams, Velofahrer flitzen den Flanken entlang und irgendwie zirkelt da auch noch der Autoverkehr zwischen Pendlern und den Kunden des Drachenzenters herum. Dazwischen immer mal wieder ein Baugerüst, eine Mulde hier und da und abgeklebte Schaufenster: «Sale». «Ausverkauf». «An bester Lage zu vermieten». Links und rechts aalglatt gestylte Betonfassaden. Das ist die Aeschenvorstadt.

Bald offen: Gesundes Essen bei «B.Good». ©A.Schwald

Dabei befindet sie sich an bester Lage zwischen Aeschenplatz und Freier Strasse. Sie ist ein Knotenpunkt, und das ist gleichzeitig ihre Schwäche. Denn gelegen wäre sie bestens, so im Basler Bankengeviert, wo sich mittags Anzugträger aus den Büros von Kantonalbank, Bank Coop, UBS und vielleicht der Bank Sarasin von weiter oben in den schicken Schnellverpflegungsrestaurants die Plätze streitig machen. Die Gastronomie läuft gut: Der deutsche Italiener «Vapiano» ist gut ausgelastet, der Salatladen «Dean & David» über Mittag jeweils rappelvoll und bald öffnet direkt an der Hauptstrasse «B.Good»: Ein Schnellverpfleger mit betont gesunder Ware. Gerade wird das Geschäft noch vor der Eröffnung herausgeputzt.

Ohne Mampf wärs ein Krampf

Da sitzt man dann also unter Glas: Strassencafé von Beschle. ©A.Schwald

Abgesehen von Mittagsverpflegung ist die Meile allerdings eingefroren. Dort, wo sie an die Freie Strasse grenzt, begibt man sich noch freiwillig zur Buchhandlung «Bider&Tanner», den «Foto Marlin» kennt man auch noch gut und der Migros im Drachenzenter ist zu verdanken, dass sie die nüchterne Meile mit Kundschaft belebt. Ansonsten sind hier Edelboutiquen und gestylte Ladenflächen, die wenn, dann gezielt und mit betont grossem Portemonnaie angesteuert werden.

Und immer wieder stehen diese Flächen leer. Der Unterwäscheladen Perosa hat dichtgemacht. Im Eckhaus zur Sternengasse warten sie immer noch auf weitere Mieter. Derzeit ist ein Ladengeschäft zur Vermietung ausgeschrieben, auch hier mit wohlfeilen Worten: «Grosszügiges Ladenlokal im Erdgeschoss und 1. Untergeschoss an prominenter Ecklage». Allerdings hält sich der Vermieter bedeckt. Ausser einem Kontaktformular gibt es keine Möglichkeit zur Nachfrage. Verfügbar ist der Laden zudem erst in einem Jahr. 

Gestyltes Dornröschen im ewigen Mittagsschlaf

Wieder mal ein Laden leer: Mulde in der Aeschenvorstadt. ©A.Schwald

Während sich derzeit in der Freien Strasse internationale Konzerne um jede freie Liegenschaft balgen, so ist die Aeschenvorstadt im besten Fall ziemlich schläfrig. Ein Dornröschen, das in einem Sarg aus Glas und Sichtbeton liegt. Man wähnt sich in der Strassenschlucht in den Siebzigern oder Achtzigern, als die kühl-urbane Architektur noch modern war. Heute ist sie nur noch kühl, die Ecke lädt höchstens zum Bummeln ein – wenn überhaupt. Das spürte auch «Emporio Armani»: Der teure Markenladen gab vor einiger Zeit auf, es herrscht gediegene Leere.

Nein, die Aeschenvorstadt ist kein Vergnügen. Sie ist ein schwarzes Loch mit gelifteter Visage, eine ältliche Traverse in betont stilvollem Gewand und damit ein Ort, den man schnell mal aufsucht, um ein Geschäft zu verrichten und sich wieder in angenehmere Gefilde zu begeben. Ein Monopoly der Immobilienmakler, in dem sich Edelläden schnell verlieren. Sie will eine High Street sein, schafft es aber nur zur Einfallsstrasse in die eigentliche Innenstadt. Wo bis ins 19. Jahrhundert sogar noch Landwirtschaft war, wo einst prächtige Wohnhäuser und ein stattliches Stadttor gestanden hatten. Das Tor wurde im ersten Basler Abrisstaumel schon 1861 gebodigt, um den Aeschenplatz zu bauen: Einen heute unumgänglichen Verkehrsknoten, Albtraum aller Fahrschüler. Die Aeschenvorstadt hat nicht mal einen richtigen Übernamen wie die «Steine» oder die «Freie».

Dabei kann sie doch so viel mehr

In Schönheit eingefroren: Ladenflächen im Anfos-Haus. ©A.Schwald

Dabei könnte sie so viel mehr. Eine Erweiterung der Freien Strasse sein, zum Beispiel, ein neuer Ort, wo sich die grossen Kleiderketten austoben. Kaputt geht hier nichts, die Aeschenvorstadt ist robust gebaut: Und im oberen Teil gegen den Aeschenplatz hin verkraftet sie noch einiges an Frequenzen. Sneakerläden, H&M, Zara, sie alle hätten Platz – und können im urban-kühlen Flair problemlos blühen. In Shopping-Meilen anderer Städte gehört diese Architektur ja auch zu hochfrequentierten Shopping-Paradiesen wie die Butter auf das Brot.

Das Potenzial ist da. Wo heute kleine Läden von den wuchtigen Bauten plattgedrückt werden, wäre der eine oder andere Einkaufstempel nicht mal fehl am Platz. Zu essen gibts ja heute schon genug. Erst wenn die alte, immer etwas zu kühl gestylte Tante mit ihrem einladend wird, kommt man sie auch mal ohne Absicht besuchen. Das würde die Innenstadt nicht nur entlasten, sondern richtiggehend bereichern. Erst dann würde die Aeschenvorstadt auch zu jener eleganten High Street, die sie zumindest architektonisch jetzt schon ist.

Direkter Anschluss ans Rheincenter: Die Aeschenvorstadt. ©A.Schwald

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