Peter Itin, Chefarzt Dermatologie und Leiter Zentrum für Hauttumore am Universitätsspital Basel
Peter Itin, Chefarzt Dermatologie und Leiter Zentrum für Hauttumore am Universitätsspital Basel
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Vorsicht: Auch in Basel ist jeder Sonnenbrand eine immunologische Katastrophe für die Haut

Temperaturen über 30 Grad sind in Basel diese Tage die Regel und keine Seltenheit mehr. Wer kann der unterbricht die Arbeit mittags für einen kühlenden Schwumm im Rhein. Aber aufgepasst: was eigentlich alle wissen und nur wenige wirklich ernst nehmen: Zu viel Sonneneinstrahlung auf unserer Haut kann zu Hautkrebs führen. Und zu viel ist jeweils sehr bald.

Wer im Sommer in den Urlaub ans Meer fährt, reibet sich ganz selbstverständlich von Kopf bis Fuss mit Sonnencrème ein, trägt Sonnenhut und Sonnenbrille. Hier in Basel wird solcher Schutz aber oft vergessen. Dabei ist er genauso nötig, wie in den Ferien. Barfi.ch hat mit Professor Peter Itin, Chefarzt Dermatologie und Leiter Zentrum für Hauttumore am Basler Universitätsspital gesprochen und nach der Gefährlichkeit von Sonnenstrahlen in unserer mitteleuropäischen Stadt gefragt.

Barfi.ch: Gibt es so etwas wie eine «gesunde Bräune» überhaupt?

Peter Itin: Es wird jedes Jahr von Neuem darüber berichtet und alle wissen es: ein Sonnenbrand schädigt die Haut nachhaltig und kann über die Jahre zu Hautkrebs führen. Wer meint, dass eine gebräunte Haut gesund ist, der irrt. Die Braunfärbung der Haut nach Sonnenexposition ist Ausdruck einer Hautschädigung durch die Sonne. Ohne Schädigung der Erbsubstanz in der Haut gibt es keine durch Sonne induzierte Bräunung. Jeder Sonnenbrand ist eine biologische Katastrophe, die unbedingt vermieden werden muss.

Wie beugt man Sonnenbrand vor?

Zwischen 10 – 14 Uhr sollte man auf direkte Sonnenexposition verzichten und im Schatten bleiben. Hut, langärmlige, eher dunkle und dicht gewobene Kleidung sowie eine Sonnenbrille helfen. Je nach Hauttyp die Haut mindestens 30 Minuten vor dem ins Freie gehen mit einer Sonnencrème mit hohem Lichtschutzfaktor von mindestens 30 bis 50 einreiben. Nicht vergessen, sich nach dem Schwimmen und Abtrocknen der Haut wieder einzucrèmen. Da die Wirkung nach zwei bis drei Stunden nachlässt, Vorgang wiederholen. Besonders wichtig sind Ohren und die Region um die Augen, welche oft vergessen gehen. Bei Sonnencrèmes darauf achten, dass nebst dem Schutz gegen UVB-Strahlen auch ein Gütesiegel für die UVA-Strahlen vorhanden ist.

Können Selbstbräuner Sonnenbrände verhindern?

Aus medizinischer Sicht sind Selbstbräuner nicht empfehlenswert. Sie haben einen rein kosmetischen oder ästhetischen Stellenwert und bieten keinen nennenswerten Sonnenschutz, es sei denn es wurde zusätzlich ein Sonnenschutzmittel eingearbeitet.

Wie sieht es mit Solariumbesuchen aus?

Definitiv nein. Mit dem Besuch baut der Mensch nur einen sehr geringen Schutz auf. Das Solarium ist im Grunde genommen wie ein Medikament. Es gibt medizinische Indikationen für einen Solarium-Besuch in medizinisch kontrollierten Solarien. Dieses Therapeutikum soll aber nicht als Kosmetikum genutzt werden.

Was tun bei Sonnenbrand? 

Die verbrannte Haut anti-entzündlich behandeln und kühlen. Feuchte Umschläge können Linderung bringen und Lotionen mit Lokalsteroiden.

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Muss man sich im Sommer nur vor den Sonnenstrahlen schützen oder soll man auch Sonnencrème benutzen, wenn es bedeck ist?

Das stimmt im Prinzip. Gerade wenn man sich über die Mittagszeit im Freien aufhält, sollte man sich im Sommer, auch wenn es bedeckt ist, schützen.

Stimmt es, dass die Haut nicht vergisst, also auch keinen Sonnenbrand aus der Jugend? Kann man sagen, wie oft die Haut verbrennen kann, bis sie einen Hautkrebs entwickelt?

Man kann sicher sagen, dass die Haut ein gutes Gedächtnis hat und nicht leicht vergisst. Wer einen Hautkrebs entwickelt ist natürlich sehr individuell und hängt von der jeweiligen Genkonstellation und der Veranlagung ab. Andererseits von der Art und Weise ab, wie es zu Sonnenbränden gekommen ist, von ihrer Häufigkeit und Schwere und von möglichen Begleiterkrankungen. Der gemeinsame Nenner: Sonne ist Energie und je mehr man ihr ausgesetzt ist, je grösser das Risiko.

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Bei welchen Hautveränderungen sollte der Dermatologe aufgesucht werden?

Neuauftretende Hautflecken, welche asymmetrisch und nicht gleichmässig pigmentiert sind und bogige, unregelmässige Begrenzung zeigen oder eine Dynamik aufweisen. Knotige Veränderungen, die zeitweise bluten und wachsen.

Nicht jede Art von Hautkrebs zeigt sich deutlich. Woran erkennt man helle Hautkrebsarten?

Prinzipiell äussert sich weisser Hautkrebs mit Hautveränderungen an sonnenexponierten Stellen, zum Beispiel im Gesicht. Diese rauen oder geröteten Stellen machen sich immer wieder bemerkbar, können auch spontan verschwinden, kehren jedoch immer wieder zurück. Diese Gewebsveränderungen, Präkanzerosen genannt, gehen mit einem statistisch erhöhten Risiko für eine bösartige Entartung einher. Dieser frühe Zustand kann relativ einfach und ohne Skalpell behandelt werden.

ABCD-Regeln. Bild: Hôpitaux universitaires de Genève / Krebsliga

Wie gefährlich ist diese Vorstufe von Hautkrebs?

Ungefähr ein Prozent der Präkanzerosen entwickelt sich jährlich in einen bösartigen Tumor, das sogenannte Plattenepithelkarzinom. In Zahlen ist das nicht viel, nur existieren meist mehrere dieser rauen und verhornten Präkanzerosen. Je grösser die Veränderung, desto aggressiver der Verlauf. In der Hautkrebswoche 2007 hat sich gezeigt, dass von den über 64-Jährigen 25,7 Prozent Präkanzerosen aufwiesen. Vor allem wegen Solariumbesuchen oder viel Sport im Freien ohne Sonnenschutz weisen auch jüngere Menschen vermehrt Vorstufen des Hautkrebses auf.

Worum handelt es sich bei der neuen Immuntherapie?

Diese Therapie – es handelt sich nicht um eine Prophylaxe - ist für ganz spezielle Patienten mit sehr fortgeschrittenem Tumor. Die Therapie, eine Art Chemotherapeutikum, ist eine immunologisch wirksame Therapie. Sie hat zum Ziel den fortgeschrittenen Prozess eines Tumors zu bekämpfen. Die Ansprechrate dieser neuen Präparate ist deutlich besser als bei den Alten. Ein Fortschritt, der aber auch mit sehr hohen Kosten verbunden ist.

Eine Alternative zur Sonnenbräune durch die Sonne haben Wissenschaftler vom Massachusetts General Hospital und der Harvard University gefunden. Forskolin, ein Extrakt aus den Wurzeln der Buntnessel zeigt im Mäuseversuch gute Resultate. Bis wann dürfte es auch für den Menschen zur Anwendung gelangen?

Das ist sehr schwierig zu sagen. Es gibt verschiedene dieser theoretischen Präparate in der Pipeline. Bis sie zur Anwendung gelangen, dauert es aber noch lange. Der vernünftige Umgang mit der Sonne bleibt auch wenn es bessere Sonnenschutzpräparate geben wird.

Gibt es ein Alter, wie z.B. bei der Darmspiegelung mit 50 Jahren, ab dem man einen Check beim Dermatologen machen sollte, bei welchem der ganze Körper auf Hautkrebs untersucht wird?

Als Standortbestimmung ist ein Screen der Haut ab 50 auf alle Fälle sinnvoll, um festzustellen, ob Risikoveränderungen an der haut vorhanden sind. Es sollte jedoch noch mehr darauf geachtet werden, dass Hausärzte sich bewusst auch die Haut anschauen. Wenn Risikoläsionen feststellt werden, sollte der Patient zum Dermatologen. Übertrieben wäre es, wenn jede und jeder über 50-Jährige stur jährlich zur Kontrolle ginge. Menschen, die bereits einen Hautkrebs hatten, müssen selbstverständlich mindestens einmal jährlich zur Kontrolle. 

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