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Vorsicht: Scientology in Basel mit «Drogenberatung» auf Mitgliederfang

Während es um die vor zwei Jahren eröffnete Scientology-«Kirche» Ideal Org an der Burgfelderstrasse nach Protesten der Anwohner ruhiger geworden ist, geht die Sekte jetzt mit Drogenberatung und umstrittenen Standaktionen auf Mitgliederfang.

Vor zwei Jahren läutete Scientology mit der Eröffnung des «Ideal Org» an der Burgfelderstrasse 215 «das goldene Zeitalter der Dianetik» ein. Die Proteste der Anwohner gegen den Riesentempel verhallten allerdings ungehört. Während es um das Zentrum still geworden ist, lenkt die Sekte mit einer problematischen Aktion «gegen Drogenmissbrauch» wieder Aufmerksamkeit auf sich. Am letzten Freitag fand in der Basler Scientology Kirche ein Tag der offenen Türe «gegen Drogenmissbrauch» statt. Auf dem dazugehörigen Flyer wird die «grösste nichtstaatliche Anti-Drogen-Initiative der Welt» angepriesen. Zusätzlich schmackhaft gemacht wird die Veranstaltung durch «Erfrischungen und Snacks».

Während sich die Philosophie der Dianetik wie schlechte Sciene Fiction anhört, so bleibt die von L. Ron Hubbard gegründete Sekte dennoch gefährlich. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie mit Drogenprävention Sektenmitglieder anwirbt. Am Ende steht hinter der «Anti-Drogen-Initiative» knallhartes Ausnutzen menschlicher Not. Einem Scientology-Mitglied wird nichts ohne Hintergedanken geschenkt. Um die verschiedenen Erleuchtungsstufen – eben die Orgs – zu erreichen, muss ein Mitglied kräftig Geld anschleppen, oder zu einem Hungerlohn für Scientology schuften.

Hubbard - ein gescheiterter amerikanischer Sciene Fiction-Autor - versuchte zu streuen, die Menscheit stamme von einem Ausserirdischen ab, der in einen Vulkan gefallen war und dessen «verschüttetes» Potential könnte durch die Methoden von Scientology zur Erleuchtung führen. Der Rest ist bekannt. Doch untypisch an der gegenwärtigen Drogenaktion: Auf dem Flyer wird die Scientology-Kirche diesmal offen als Veranstaltungsort und Veranstalter angegeben, bisher keineswegs die Regel: «Bei den Anti-Drogen-Informationen von Scientology ist diese Organisation oft als Absender nicht oder nur schwer erkennbar», sagt Kantonsarzt Thomas Steffen gegenüber barfi.ch. Die Sekte agiere unter verschiedenen Decknamen. Bei der «Anti-Drogen-Initiative» ist das Scientology-Projekt «Sag Nein zu Drogen - sag Ja zum Leben» gemeint. Das Logo dieser Organisation erscheint auf dem Flyer prominent.

Neu werden die sogenannten Anti-Drogen-Aktionen der Sekte dadurch nicht. Seit einigen Jahren diskutiert Basels Exekutive darüber. 2007 schränkte der Regierungsrat die Strassenpräsenz ein, indem sie die genehmigten Standaktionen von «Sag Nein zu Drogen» auf drei pro Jahr beschränkte. Die Adventszeit ist für den Verein sogar ganz Tabu.

Drogenberatung nach Scientology weder nötig, noch willkommen

Grundsätzlich ist die Absicht über die Gefahren von Drogen zu informieren ja nobel. Dass sich Scientology in diesem Bereich einsetzt, ist aber in Basel nicht willkommen. Nötig sei das Unterfangen nicht, bestätigt Kantonsarzt Steffen, Basel habe ein «breites, fachlich sehr gut abgestütztes Angebot für Beratungen und Therapien». Aus fachlicher Sicht seien vor allem Angebote zu empfehlen, die vom «weltanschaulichen Hintergrund» unabhängig sind, so Steffen. Diese Neutralität ist bei den Angeboten von Scientology nicht gegeben.

Vorsicht ist auch aus anderen Gründen geboten: Die Organisation agiert nicht nicht nur unter «Sag Nein zu Drogen». «Narconon» ist eine weiteres Drogenpräventionsprojekt, welches in der Schweiz vertreten ist. Auch hier steckt viel Scientology drin. «Narconon» spezialisiert sich bei uns vor allem auf Vorträge und Workshops an Schulen. Zudem bieten sie ein viel kritisiertes «Rehabilitationsprogramm» für Betroffene an. Ein solches Zentrum gibt es jedoch in der Schweiz gar nicht, die Teilnehmer des Programms werden ins nahe Ausland, zum Beispiel nach Italien oder Holland, geschickt. Auf der Website des Schweizer Ablegers würde man allerdings nie darauf kommen, dass Scientology hinter dem Ganzen steckt. Genannt wird nur Narconon-Gründer William Benitez. Dieser war aber ein grosser Anhänger der Lehren von L. Ron Hubbard – Scientology-Gründer. Und längst gehört «Narconon» zum grossen Komplex der Sekte.

Fünf Stunden Sauna und unbezahlte Rechnungen

Während bei uns Narconon noch recht verdeckt operieren kann, sorgt das Unternehmen weltweit immer wieder für Schlagzeilen. Gründe sind unbezahlte Rechnungen, die unleugbaren Verbindungen zu Scientology und ein seltsames Rehabilitationsprogramm in welchem Patienten u.a. täglich rund fünf Stunden in der Sauna verbringen müssen. Gegenüber dem australischen Nachrichtenportal 9News sagte ein ehemaliger Mitarbeiter von «Narconon» aus, dass die ganze Organisation nur da sei, um weitere Personen für Scientology zu rekrutieren. Damit ist er nicht alleine: diese Aussage stützen zahlreiche Ex-Mitarbeiter, die «Narconon» verlassen haben.

Mitte Mai wird «Sag Nein zu Drogen» wieder ihre jährliche, grössere Standaktion auf dem Barfüsserplatz durchführen. Der deutsche Verfassungsschutz warnt klar vor diesem Verein, da er mit Suchthilfe «wenig bis gar nichts zu tun hat.» Auch der Basler Kantonsarzt Thomas Steffen rät davon ab mit dieser Organisation in Verbindung zu treten. Während der Slogan «Sag Nein zu Drogen» auf den ersten Blick vernünftig und unterstützungswürdig klingt, nutzt Scientology damit einzig die Verzweiflung von suchtgefährdeten Menschen aus, um sie in ihre Sekte hineinzuziehen. Unter diesem Aspekt ist es wichtig dem angekündigte Treiben grösste Aufmerksamkeit, aber gebotene Distanz zu schenken. Wer Scientology kennt weiss: there is no free lunch. 

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