Vor acht Jahren waren diese «blutten» Leute als Sujet kein Problem. Bild: Keystone
Vor acht Jahren waren diese «blutten» Leute als Sujet kein Problem. Bild: Keystone
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Zwischen Provokation und Zensur: Basler Fasnacht soll bissig sein, aber nicht «gruusig»

Von «Zensur» will an den «drey scheenschte Dääg» niemand etwas wissen. Doch halten sich die Basler Fasnächtler meist an ungeschriebene Regeln. Treibt es eine Clique zu wild, werden ihr Subventionen abgezogen.  

Zwei Frauenschenkel in Strapse auf einem Plakat hatten gereicht. Und schon hatten die Fasnächtler im Badischen ihre eigene #MeToo-Debatte. Zwischen den gespreizten Beinen stand das Fasnachts-Motto: «Reeperbahn» und dann folgte das Programm für die närrischen Tage. Die Narro-Zunft in Waldshut krebste zurück und musste wegen des missglückten Scherzes erklären, dass man gegen «Sexismus, Rassismus und Gewalt» sei.

Schlechter Witz: Im Badischen handelte sich die Narro Clique mit dem Motto Reeperbahn und Frauenschenkeln Ärger ein. Bild: Narro-Zunft.

Während die Basler Fasnacht ja nicht gerade für «närrisches» Treiben, sondern eher für ihren heiligen Ernst bekannt ist, stellt sich die Frage nach den Grenzen des Fasnachtshumors auch bei uns alle Jahre wieder. Für Felix Rudolf von Rohr, der dem Fasnachts-Comité sieben Jahre lang als Obmaa gedient hat, ist der Fall klar. «Das Comité kann nicht viel machen. Doch die Grenzen verlaufen dort, wo der gesetzliche Rahmen gegeben ist.» Rudolf von Rohr verweist auf den guten Geschmack. Allerdings sagen verschiedene Cliquen, dass das Comité durchaus Sanktionen ergreift. Diese bestehen vor allem in der Kürzung von Subventionen. 

Kürzung von Cliquen-Subventionen

Dass Humor Geschmackssache ist und das Sexuelle heikel, erlebten auch die Schnitzelbänkler von den «Zämmegwürflete». Das Schnitzelbangg-Comité verbot ihnen aus «Qualitätsgründen» vier Verse. Um Zensur handle es sich dabei aber nicht, wie Obmann Walo Niedermann gegenüber Radio DRS sagte. Als Beispiel eines «sexistischen Verses» musste folgendes Werk herhalten: «Mi Doggter het mit mir afo schimpfe. Will em gseit ha: Nei ich will nit impfe. Denn die Grippe vo däre Sau ha ich syt vierzig Johr, es isch mi Frau». Tatsächlich, dies ist nicht wirklich ein Meisterwerk. Zwar will das Schnitzelbangg-Comité vor der Fasnacht alle Verse lesen, allerdings gelte die Kontrolle nur in den kostenpflichtigen Häusern, meint das Comité, was die Bänggler in den Beizen singen würden, bleibe unkontrolliert. 

Im letzten Jahr wollte der Bangg «Dreydaagsfliege» am Drummeli das Konzentrationslager Auschwitz thematisieren. Zwar liessen die Bänggler den Vers an der Vorfasnachtsveranstaltung weg, brachten den umstrittenen Schnitzelbangg an der Fasnacht dann aber trotzdem. Mit über 470 Cliquen und rund 12'000 Mitwirkenden braucht die Fasnacht wohl eine gewisse Regulierung. So sind nicht einmal die aufmüpfigen Cliquen, wie etwa die «alten Steinlemer» gegen die Kürzung von Subventionen. Die Unterstützung beträgt für eine grosse Clique immerhin um die 10'000 Franken, je nach Anzahl der Mitwirkenden.

Uff d' Barrikade

So sorgten die Basler Bebbi vor einigen Jahren für Aufruhr, als sie mit dem Sujet «Zämme uff d Barrikade – Free Willy Riot» am Cortège für Aufruhr sorgten. Denn der Auftritt entsprach ganz und gar nicht der Fasnachtstradition: Sie tanzten musikalisch mit einer lauten Punkband aus der Reihe. Dies hatte zur Folge, dass sich das Comité nach «intensiven Diskussionen» dazu entschloss den Bebbi die Subvention um die Hälfte zu kürzen und diesen Betrag an Amnesty International zu überweisen. Die Clique schliesslich freute sich über die «originelle Art» der Bestrafung und hoffte, die Strafe helfe, die russischen Pussy Riot-Aktivistinnen aus ihrer misslichen Lage zu befreien.

Olympia muss sich anziehen

Während heute das Comité über den mehr oder weniger guten Geschmack wacht, so schritt 1926 gar die Polizei ein. Auf der Lälli-Laterne hatte Künstler Niklaus Stoecklin eine blutte Olympia gemalt. Der Vorsteher der Polizei bestellte Stoecklin zu sich und forderte, dass die Laterne weg müsse. Schliesslich schneiderte der Künstler der Manet-Olympia ein Kleid aus Packpapier, mit dem er ihre Blösse überklebte. So dass die Laterne mit polizeilicher Erlaubnis doch noch an die Fasnacht durfte.

Provokative Sujets, bissige Schnitzelbänke sind an der Fasnacht ausdrücklich erwünscht. Den Bereich unter der Gürtellinie überlasse man allerdings gerne den Nachbarn in Köln oder im Badischen, heisst es in Basel. Aber dort war das offenbar auch schon einmal einfacher. 

Mehr Fasnacht
Zurück zur Startseite