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Mehr Praxisnähe für Fachhochschulen gefordert

Ein Komitee aus Wirtschafts- und Politikvertretern hat am Mittwoch mehr Praxisnähe für die Schweizer Fachhochschulen gefordert. Andernfalls drohe ein Qualitätsverlust bei der Ingenieursausbildung und mittelfristig ein Schaden für den Standort Schweiz. Die Fachhochschulen weisen die Vorwürfe zurück.

Seit mehr als 20 Jahren kennt die Schweiz ein per Bundesgesetz abgestütztes Fachhochschulwesen - derzeit studieren laut swissuniversities rund 70'000 Personen an Fachhochschulen, davon sind 85 Prozent in Bachelorstudiengängen eingeschrieben.

Vertreter aus Wirtschaft und Politik finden nun, dass dieses Berufsbildungssystem im Hochschulbereich seine eigentliche Bestimmung mittlerweile nicht mehr erfüllt: Es sei zu wenig praxisnah und grenze sich nicht genug von den Universitäten und Eidgenössischen Technischen Hochschulen ab, sagten Komiteemitglieder am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Bern.

Die fehlende Abgrenzung zu den universitären Bildungsgängen führe dazu, das teure Doppelstrukturen geschaffen würden. Auch eine wirkliche Qualitätskontrolle fehle. Die Kantone seien zwar als Träger für die Qualität verantwortlich, doch diese hätten sich eine Blase geschaffen, in der sie jeweils ihre eigenen Vorgaben pflichtgemäss erfüllen, so der Vorwurf.

Immer weniger Dozenten mit Praxiserfahrung

Der mangelnde Praxisbezug in der Lehre beginne bereits bei den Dozenten: Die Anzahl der unterrichtenden Personen mit Praxiserfahrung habe in den letzten 20 Jahren abgenommen, bemängeln die Vertreter aus der Wirtschaft und Politik.

Absolventen seien heute im Fachhochschulbereich häufig schwächer ausgebildet als auch schon, sagte Lorenz Zellweger, Geschäftsführer und Inhaber der gleichnamigen Ingenieurberatungsfirma.

Er hat deshalb zusammen mit 100 Ingenieuren und Wirtschaftsvertretern aus der ganzen Schweiz einen "Aufruf zur Stärkung der Ausbildung an den technischen Fachhochschulen" unterschrieben.

Stefan Schneeberger, Ingenieur und Geschäftsleiter eines KMU sieht die Problemstellen im tagtäglichen Geschäft: "Wir brauchen keine eierlegenden Wollmilchsäue", sagte Schneeberger. Anstatt Kenntnisse im Projektmanagement zu vermitteln, sei es wieder angebracht, Fachhochschüler mit "solidem Ingenieurwissen" auszustatten.

Postulate eingereicht

Einen Lösungsansatz sieht das Komitee in der besseren Zusammenarbeit der einzelnen Fachhochschulen untereinander - dies soll im Austausch mit Industrieunternehmen erfolgen, damit eine Praxistauglichkeit auch wirklich gegeben ist.

Auch auf politischer Ebene gibt es Bemühungen: Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) und der Berner Grossrat Samuel Krähenbühl (SVP) haben in den jeweiligen Parlamenten Postulate eingereicht, um die Abgrenzung der Fachhochschulen zu stärken und den Praxisbezug zu fördern. Eine tiefgreifende Änderung des Fachhochschulgesetzes von 1995 ist in ihren Augen dafür allerdings nicht notwendig - vielmehr sollen bestehende Regeln genauer eingehalten werden.

Fachhochschulen: Profil im ständigen Wandel

Die Fachhochschulen wollen diese Vorwürfe so nicht gelten lassen:

Das Alleinstellungsmerkmal der "wissenschaftsbasierten Praxisorientierung" der Fachhochschulen sei keine "Naturkonstante", teilte Crispino Bergamaschi am Mittwoch auf Anfrage mit. Vielmehr müsse diese Orientierung ständig "reflektiert und aktuell gehalten werden". Bergamaschi ist Direktionspräsident der Fachhochschule Nordwestschweiz und Präsident der Kammer FH swissuniversities.

Die Anforderungen an eine Ingenieurin oder einen Ingenieur seien heute nicht mehr dieselben wie noch vor 30 Jahren.

Neben aktuellem Fachwissen sei es wichtig, mit digitalen Werkzeugen souverän umzugehen und auch in der Lage zu sein, die Resultate in einem internationalen Umfeld zu kommunizieren. Die entsprechenden Aufgabenstellungen dafür würden fast ausschliesslich von Praxispartnern selbst kommen, betonte Bergamaschi. Von Praxisferne könne bei den Dozierenden nicht die Rede sein, weil mehr als die Hälfte von ihnen neben dem Lehrauftrag in ihrer ursprünglichen Branche tätig seien.