Viele wollen im – dank der Klimaerwärmung meist gar nicht mehr so kalten – Winter überhaupt nicht mehr das Haus verlassen. Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt sind sowieso schon mindestens 20 Grad zu wenig, ausser man brettert dick eingepackt die Schweizer Alpen hinunter. Sich jedoch freiwillig und dazu noch leicht bekleidet der Kälte aussetzen? Niemals.
Genau das ist jedoch in den letzten Jahren zum Trend geworden und hört auf den klingenden Namen «Kryotherapie» (kryos [griechisch] = kalt, Therapie = Heilung). Für alle, von Herbst bis Frühling ihre Zelte lieber auf der warmen Südhalbkugel aufschlagen würden, klingt es wie ein Albtraum: Drei Minuten bei -110 Grad Celsius, bekleidet nur mit Unterwäsche, Handschuhen und Schuhwerk, Mund- und Ohrenschutz. «Weshalb tut man sich so etwas an?», fragt sich auch der zugegebenermassen ziemlich kälteempfindliche Autor dieses Artikels. Offenbar aus verschiedensten Gründen – da ist für alle etwas dabei.
Mehr alter Hut als neuer Trend
Lange bevor sich «Kryotherapie», ähnlich wie zuvor die «Power Plates» oder das «Wundermittel» Aloe Vera, den Weg bis in den Wortschatz des Otto-Normalbürgers bahnte, wurde die Technik bereits in der Medizin eingesetzt. Kryotherapie, oder auch Kryochirurgie genannt, lässt sich auch zuhause betreiben – im Einsatz gegen (Dorn-)Warzen beispielsweise. Das Mittel zum «Vereisen» ebendieser lässt sich für einen kleinen Betrag in jeder Apotheke erwerben. Doch auch in der Behandlung von Tumoren, beispielsweise Lebermetastasen, oder überschüssigem Narbengewebe kommt extreme Kälte zum Einsatz – der Arbeitsbereich liegt dabei meist zwischen -70 und -200°C.
Schweizermeister "kaltgestellt"
Heute ist die Kryotherapie insbesondere in Sportlerkreisen in aller Munde, so beispielsweise beim Basler Judoka Florian Droux, seineszeichens 8-facher Schweizermeister, zweifacher EM-Teilnehmer und Träger diverser Europacup-Medallien. Vor 20 Jahren hat er mit Judo begonnen und seit nunmehr fast 2 Jahren bezieht er die Therapie in der Kältekammer in seine Regeneration mit ein. "Insbesondere zur Regeneration nach Trainingslagern, Verletzungen aber auch zur Vorbereitung auf wichtige Turniere. Meistens gehe ich dann intensiv 3-4 Mal pro Woche und mache danach wieder etwas Pause", so Droux. Die intensive Kälte senke seinen Muskeltonus (Spannungszustand eines Muskels) und helfe ihm dabei, seine Regenerationszeit zu verkürzen.
Hat man die Kammer erstmal betreten, sei die Atmung sehr wichtig. Ruhig durch die Nase zu atmen und dabei stets leicht in Bewegung zu bleiben, sei essenziell. Die Aussage, dass "die positive Wirkung Wirkung der Kältetherapie etwa drei Stunden anhalte" kann Florian Droux nicht bestätigen, "das ist sehr individuell, denke ich. Wenn die Entzündungswerte zurückgehen ist die positive Wirkung weit grösser als nur 3 Stunden. Die Langzeitwirkung ist für mich weit wichtiger als das „positive Gefühl“ unmittelbar nach der Therapie."
Kälte - das Allheilmittel?
Der Einsatzbereich, mit welchem Kryotherapie-Center heutzutage werben, übersteigt den beschriebenen medizinischen Nutzen jedoch um ein Weites. Angefangen bei unser aller Lieblingsthema: dem Abnehmen. Frieren gegen Fettzellen? Zittern als Cardiotraining? Nein, ganz so ist es nicht. Bis zu «800kcal in 3 Minuten» verliert man laut der Website des CryoCenter Basel. Was das in Gramm bedeutet, ist schwierig zu definieren, da «Kcal», also «Kilokalorien», die Energie und nicht die Masse definieren. Es sei aber «so viel, wie nach einer Stunde Joggen».
Auch bei psychischen Erkrankungen soll die Therapie Erfolg versprechen. Seien dies Angst- oder Panikstörungen, Schlafstörungen, depressive Phasen oder ganz einfach nur Stress: Drei Minuten tiefkühlen soll die Hormonausschüttung begünstigen und stress- wie auch angstlindernd wirken. Wie bei den meisten psychischen Krankheiten gilt auch hier: Ausprobieren! Denn jede und jeder schlägt anders auf Behandlungen der Psyche an – generalisieren lässt sich hier wenig bis nichts.
Florian Droux bestätigt jedoch den Nutzen für Nicht-Sportler ebenfalls: "Meine Mutter ist das beste Beispiel. Rückenschmerzen sind besser geworden und auch die Schlafqualität hat zugenommen. Nach den 3-4 Minuten in der Kammer hat man die Möglichkeit, sich auf Liegestühlen zu entspannen und wieder aufzuwärmen. Die Therapie hat für mich also einen positiven Effekt auf meine Muskulatur, wie auch auf mein allgemeines Wohlbefinden, da ich dabei sehr gut abschalten kann."
Eingefrorene Schönheit
Zu guter Letzt gehen wir, so diverse Werbeversprechen, nicht nur gesunder und schlanker aus dem Kryotherapie-Center, sondern auch schöner! Weniger Dellen, strafferes Gewebe, verjüngtes Hautbild, Reduktion von Cellulite und Verkleinerung der Poren und natürlich – und das ist wohl das wichtigste – «mehr Beauty durch innere Schönheit durch Verbesserung des Wohlbefindens». Na dann, ab in die Gefriertruhe!
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