Bild: Jonas Egli
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  • Jonas Egli
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Tausche Mathestunden gegen Pferd: barfi.ch besucht den Social Muscle Club

Der Social Muscle Club ist ein Projekt, welches unsere eingerosteten zwischenmenschlichen Muskeln stärken soll. Mit einem Tisch, einem Haufen Fremder, albernen Hüten, einer handvoll Wünsche und ebenso vielen Gegenangeboten. Wir waren für euch da und sagen: Absolut hingehenswert.

Es beginnt vor einem kleinen Holzhäuschen hinter der Elisabethenkirche. Eine Schlange von Leuten steht vor dem Verschlag, auf dem «Welcome» steht und wartet, hineingerufen zu werden. Ein Gesicht mit einem schräg sitzenden Glitzer-Trichterhut erscheint hinter dem Vorhang und bittet die nächste Person, einzutreten. Kurz darauf suche ich unter den Tischen im Garten der Elisabethenkirche den grünen und geselle mich zu einer Gruppe von Menschen, die ich alle noch nie zuvor gesehen habe.

Es ist die neunte Ausgabe des Social Muscle Club und auch die letzte der Saison. Davor war der Event, es gibt ihn in Basel seit 2013, unter anderem im Fitnessclub, in der Kirche, im Altersheim, im Trois Rois und in der Kunsthalle zu Gast. So unterschiedlich wie die Austragungsorte sind jeweils auch die Gäste: An diesem Samstag wird der Social Muscle Club mit dem Projekt «Da-Sein», dem Flüchtlingsprojekt der Offenen Kirche Elisabethen, ausgetragen.

Photo: Tek Nicolas Gysin

Das System ist einfach: An den zufällig zusammengewürfelten Tischgesellschaften notieren die Teilnehmer je einen Wunsch und ein Angebot auf einen Zettel und dann wird geschaut, wie man diese zusammenbringen kann. Wird ein Wunsch erfüllt, darf mit einer Tröte getrötet werden und es geht weiter. Was nicht am Tisch gelöst werden kann, wird am Ende in die Runde getragen. Und man soll einen Hut tragen.

Benedikt Wyss begrüsst als Moderator die Anwesenden und erklärt die erste Runde für eröffnet. «Ich hätte gerne mehr Zeit,» wünscht sich eine Teilnehmerin am Tisch. Das kann ihr natürlich niemand geben, aber wir versuchen dennoch, herauszufinden, wie das trotzdem möglich zu machen wäre. Ihr Abendessen kochen oder den Abwasch übernehmen? Oder die Hausaufgaben? Was wir nicht abnehmen können: Duschen, Joggen, in’s Kino oder auf’s Klo gehen. Die Sache kommt in den Stapel der ungelösten Fälle. Findet ein Wunsch keine Erfüllung, so gibt es immerhin eine Diskussion zu gewinnen.

Meist werden immaterielle Dinge wie Mathestunden, etwas vorgelesen zu bekommen oder ein vorgetragenes Lied vermittelt. Am Ende sucht jemand ein Pferd und man einigt sich auf eine Reitstunde, die zufällig jemand anbieten kann. Es wird viel geklatscht und getrötet, während daneben einer einen neuen Haarschnitt erhält, den er zuvor am Tisch ausgehandelt hatte. Später singt er das Lied, dass er sich gewünscht hatte, als Lohn für den Friseur gleich selbst.

Photo: Tek Nicolas Gysin

Das Betörende an der Sache ist ihre Mühelosigkeit. Jeder Fettnapftreter, jede Sozialverkrampfte, auch sonst Gesellschaftlichs-Unverträgliche schaffen es, sich am Tisch irgendwie einzubringen und der Sache etwas abzugewinnen. Dass die meisten Tische an diesem Nachmittag mindestens eine, meist aber gleich mehrere Sprach- und Generationsbarrieren überwinden müssen, macht die Sache wenn nicht einfacher, dann sicher interessanter. Mahmoud am Tisch möchte uns einen Fufu-Kuchen kochen, kann aber nicht recht erklären, was genau das ist, doch mit Hilfe von einem sprachübergreifenden Telefonspiel schaffen wir es, den zuvor ausgehandelten Quiz-Karaoke-Bingo-Abend noch mit einem afrikanischen Gericht zu vervollständigen. Bingo.

Wir sollen in ungefähr sieben Sprachen schwören, dass das, was wir hier versprechen, auch halten werden. Es kommt eine sektiererische Fröhlichkeit auf, die das Ganze zusammenhält, am Ende schwört jeder brav den Eid. Kaum denkbar, dass diese gemischte Gesellschaft unter anderen Umständen überhaupt zusammenkommen und sich zwei Stunden unterhalten, geschweige sich gegenseitig Wünsche erfüllen würde. Im Garten mit den Zelten, Tischen und Hüten passiert es einfach. Der Social Muscle Club ist nicht einfach eine Gütertauschbörse oder ein Ideenflohmarkt, sondern zuallererst ein Austausch, der sonst nicht stattfinden würde. Zyniker mögen die verhandelnden Tischrunden künstlich, erzwungen oder gar gschpürschmi-esoterisch nennen, tatsächlich fühlt es sich aber anders an. Es geht die Idee, den Social Muscle Club dereinst in eine Art Restaurant zu verwandeln. Wer weiss, warum eigentlich nicht.

Ich jedenfalls gehe nach Hause mit ein paar erfüllten Wünschen im Sack und der Gewissheit, wieder zu kommen.