Der Dreispitz ist ein Unort. In seiner wirtschaftlichen Blütezeit verkehrten hier fast nur die Arbeiter, die in Werkstätten, Lagern oder in der Spedition ihr Geld verdienten. Dann wurde es zur Heimat von Einkaufshäusern, denen trotz moderner Auslagen stets irgendetwas urban-schmuddelig Klebriges anhaftete. Kein Besen schien dem Rost und Staub des ehemaligen Industrieareals gewachsen. Die Lagerhaus-Atmosphäre überdeckte alles. Bis jetzt.

Bild: CMS
Das Areal steht mitten in seiner dritten, gigantischen Wiedergeburt. Das frühere Weideland von Christoph Merian und mittlerweile abgestorbene Industriegelände wird zur Stadt vor der Stadt. Hier steht bereits der leicht steril wirkende Campus der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, hier präsentiert sich die prägnante Beton-Architektur von «Herzog & de Meuron» und dem Dänen Bjarke Ingels. Vor drei Jahren war Baubeginn für eines der spektakulärsten Architekturwerke Basels: Der Däne Ingels konnte die Jury der Projektverantwortlichen überzeugen und machte sich umgehend daran, seine Vision für den alten Umschlagplatz in die Wirklichkeit umzusetzen.
Drehen, strecken, wohnen: Nur noch Lofts frei im Ingels-Bau

So sieht der Bau von oben aus. Bild: BIG
Wo früher Container umgeschlagen und Waren gelagert wurden, wird in luftigen Wohnungen geschlafen – mit eigener Gartenparzelle mehrere Meter über dem Boden, versteht sich. Abgerissen wurde nichts, nur aufgebaut. Nämlich weitere drei Stockwerke auf die ohnehin schon vier bestehenden. Das sieht dann so aus:
Seit Ende 2016 sind die neuen Wohnungen belebt. Die gingen weg wie warme Weggli: «Von den insgesamt 103 Wohnungen sind jetzt noch vier Duplex-Lofts verfügbar», sagt Thomas Schneeberger, Standortverantwortlicher Basel der Immobilienfirma Smeyers. 200 Quadratmeter Platz bieten die noch zu habenden Lofts, die rund 4’000 Franken pro Monat kosten. Ganz so schnell wie die günstigeren Wohnungen werden diese wohl nicht weggehen.
Wenig Annehmlichkeiten ausser Verkehrsanbindung

Die Vision des Dänen Bild: BIG
Nebst Wohnungen findet auch das Gewerbe Platz im neuen Gebäude. Jedoch auch da wieder dasselbe Lied, alles sei vermietet. Vor allem Kreativarbeiter und Dienstleistungsanbieter haben es sich in den unteren Etagen gemütlich gemacht. «Ein Gastronomiebetrieb wäre noch super gewesen, nur haben wir dafür nun leider keine Quadratmeter mehr», sagt Schneeberger.

Das gewaltige Werk von Herzog & de Meuron
Auch das gewaltige Stück «Helsinkidreispitz» von «Herzog & de Meuron» erfreut sich bei Mietern reger Beliebtheit, obwohl die Umgebung noch wenig Annehmlichkeiten ausser guter Verkehrsanbindung zu bieten hat. Lokale gibt es wenige, ein abendlicher Aufenthalt auf dem Dreispitz ist kein echtes Vergnügen. Noch bettet man sich in den atemberaubenden Wohnungen mit traumhafter Aussicht eher zum Schlaf, als dass man im Quartier Dreispitz etwas unternehmen könnte.
Jetzt macht dort auch die Migros Stadtentwicklung
Die nächste Etappe ist der Umbau der Nordspitze des Areals rund um den Migros Dreispitz. Noch im Jahr 2015 trat die Christoph Merian Stiftung (CMS) als Landeigentümerin auf die Notbremse: Sie hatte sich an den megalomanischen Entwicklungsplänen für des Gesamtareal schlicht verschluckt. «Neustart» formulierte es die CMS gnädigerweise und disponierte um. Gebaut wird nun Stück für Stück mit Partnern.
Einer der Partner ist die Migros Basel. Wie CMS und Migros am Montag gegenüber dem Nachrichtenportal «Onlinereports» bestätigten, wird noch vor den Sommerferien der Startschuss zur Neugestaltung erfolgen. Als erstes sollen städtebauliche Studienaufträge erteilt werden, um das Potenzial des Areals auszuloten. Es sei «von einer Verdichtung» auszugehen, wie Migros-Basel-Sprecher zitiert wird. Auch hier also: Bauen in die Höhe, aber auch in den Untergrund.
Derweil baut der Kanton mit der Arealentwicklung «Am Walkeweg» auf vier Hektaren Wohn- und Gewerbefläche und einen neuen Platz zum Verweilen. Auch im Süden geht die Bauerei weiter: Der Spenglerpark auf Münchensteiner Boden soll seinen eigenen Turm erhalten: Einen 100 Meter hohen Bau. Das entspricht etwa der Höhe des Basler Messeturms, der dann nur fünf Meter höher sein wird. Bis wann der Spenglerturm fertig sein soll, ist offen. Noch gibt es nicht einmal einen Quartierplan.
Mutige Siedler im wilden Südosten

Der Turm zu Spengler.
Die CMS selbst will weitere Details noch nicht verraten: «Wenn Sie mich nun nach der Zukunft des Dreispitz fragen, muss ich Sie noch etwas vertrösten. Wir sind derzeit an Vorhaben, die im Laufe des Frühlings, also circa Ende März, Anfang April spruchreif werden», so CMS-Sprecher Toni Schürmann. Was eben just die Pläne mit der Migros betrifft.
Klar ist, dass die Transformation der ehemaligen Lagerstättenwüste auf Basler und Münchensteinerboden erst angerollt ist. Die architektonischen Pioniere haben ihre Wohnbauten aufgestellt, die ersten Bewohner sind eingezogen. Attraktiver als Aufenthalts- und Wohnort macht das den Dreispitz aber noch lange nicht, auch wenn sich das Label «urban» für Postindustrie-Romantik umgeben von Teerstrassen und stillgelegten Geleisen ziemlich gut macht.
Aber bis der Dreispitz als neuer Hotspot zum Leben in der Stadt einigermassen etabliert sein wird, dauert es mindestens noch ein Jahrzehnt. Erst dann wird sich aus der gewaltigen Massierung aus Konzeptstudien und Spielwiese für Stadtentwickler langsam ein lebhaftes Quartier entwickeln, das den Namen auch verdient.
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