Das fiese «E» heisst Edge, bedeutet eine miserable Funkverbindung – ist aber immer noch besser als kein Empfang. Was es in Innenstadthäusern immer noch häufig genug gibt.
Das fiese «E» heisst Edge, bedeutet eine miserable Funkverbindung – ist aber immer noch besser als kein Empfang. Was es in Innenstadthäusern immer noch häufig genug gibt.
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Mobilfunk-Misere in der Innenstadt: es wird und wird nicht besser

Arbeiten in der Innenstadt? Grossartig! Wäre da selbst 2016 nur nicht diese miese, miese Funkverbindung in den schönen alten Häusern. Der Grund: Die Bauweise unserer Vorfahren. Und die restriktive Antennenpolitik: Jeder will guten Empfang und hervorragende Versorgung, aber wehe eine dazu nötige Mobilfunkantenne soll in der näheren Umgebung errichtet werden. Wasch mir den Pelz, aber wehe ich werde nass.

4G ist geil. Mal rasch auf dem Smartphone die Nachrichten checken, kurz durch Facebook scrollen, oder – wenns auf dem Klo mal wieder länger dauert – ein kleines Youtube-Filmchen reinziehen. Hammer.

Allerdings nicht in der Basler Innenstadt. Mal kurz im Café am Spalenberg das Gedeck auf Instagram stellen? Fehlanzeige. Ein Blick aufs Display reicht: Schon grinst einen das böse «E» neben der Signalanzeige an. Das «E» steht für Edge und ist grundsätzlich die schwächste Datenverbindung für Smartphone-Verwöhnte. Etwa so übel wie GPRS damals, als wir noch Schweissattacken erlitten, wenn wir auf dem alten Nokia aus Versehen den Internetknopf erwischt hatten. 

Noch übler ist die Lage in Innenstadtbüros: Hier hat der Journalist am Sitzungstisch nicht mal Telefonempfang. Kein Witz: Wann haben Sie das letzte Mal die Meldung «kein Signal» gesehen? Vorausgesetzt Sie waren nicht gerade im letzten Hinterwäldlerchrachen und versuchten, die Liebste zu erreichen, weil Sie sich bei der Wanderung verirrten und jetzt zu spät zum Essen kommen. Voilà. Müssen Sie nicht mal ins Berner Oberland gehen dafür. Ein bisschen Gerbergasse reicht.

Während man in den Bergen gerne freiwillig der Abgeschiedenheit frönt, ist das in einem Stadtkern ganz schön lästig. Hier sind aber die Mauern dick, die Sendeanlagen per Verordnung besonders schwach und selten und zu viele Menschen mit zu vielen Handys verstopfen den virtuellen Schlauch zum nächsten Katzenvideo.

Die Anfrage an die drei nationalen Netzanbieter Swisscom, Salt und Sunrise ergibt folgendes Bild: 

Punkt 1: Danke, Ururururgrossvater.

Klar, eine alte Stadt musste wehrhaft sein, also bauten die Bewohner dicke Mauern rundherum. Und nachdem die ursprünglichen Holzbauten ja gerne mal Feuer fingen, baute man irgendwann ab dem Mittelalter lieber mit massiveren Materialen. Das ist robust, das ist schön, das ist heimelig. Dabei haben unsere Vorfahren eines schändlichst vergessen: Die Funkverbindung reicht nicht durch diesen Stein! 

«Massive Gebäude, dicke Wände und eine kompakte Bauweise, wie sie in Altstädten üblich ist, erschweren ein Durchdringen des Mobilfunksignals», sagt Swisscom-Sprecherin Sabrina Hubacher. Und bei Salt schreibt das Media-Team: «Altstadtquartiere sind in zweierlei Hinsicht bezüglich Mobilfunknetzabdeckung schwieriges Pflaster.» Einerseits seien viele möglichen Antennenstandorte denkmalgeschützt, andererseits die Wände oftmals besonders dick und dicht. «Zudem sind die sogenannten Orte mit eingeschränkter Nutzung (OMEN) im innerstädtischen Gebiet besonders zahlreich und beeinflussen die maximal zulässige Sendeleistung überproportional.» 

Punkt 2: Zu wenig Antennen und zu viele Handys am Gesäss.

Was uns zur Technik bringt. Mobilfunkantennen sind vor allem wegen der Funkstrahlung ein Politikum. Antennengegner mobilisierten in der Vergangenheit erfolgreich gegen den Bau sendestarker Anlagen in Siedlungsgebieten. Besonders in Innenstädten – wo der Denkmalschutz ganze Bände mitredet – ist es nur sehr eingeschränkt möglich, Sendeanlagen zu bauen.

Dumm nur, dass sich dort auch am meisten Menschen bewegen. Einkaufen, arbeiten, Kaffee schlürfen, einfach mal abhängen: Wo, wenn nicht in der Innenstadt? Und, mal ehrlich, wer geht schon freiwillig ohne Smartphone aus dem Haus? Da haben wirs: Denn jedes einzelne Gerät kommuniziert konstant mit der nächsten Mobilfunkzelle, also Antenne. Das nennt sich Roaming und hat nichts mit horrenden Auslandspreisplänen zu tun, denn auch Ihr iPhone ist nichts anderes als ein kleines Funkgerät. Das roamt also tüchtig vor sich hin, egal ob die Nutzer auf Tinder sponti fürs nächste Date bei den Telefonkabinen am Barfi abmachen, ob sie altmodisch telefonieren oder das Gerät im Ruhezustand in der Gesässtasche herumschaukeln.

Sunrise-Sprecher Roger Schaller fasst das ganz schön zusammen: «Die Qualität eines Mobilfunknetzes wird heute nicht mehr nur an der Verfügbarkeit (Coverage), sondern hauptsächlich an der zur Verfügung gestellten Kapazität gemessen.» Es geht also nicht darum, ob wir überhaupt noch Verbindung haben, sondern darum, dass wir verwöhnten Handynutzer stets eine tolle Verbindung mit möglichst grossem Schlauch ins Internet wünschen – und selbst dazu beitragen, dass der Schlauch gerne mal verstopft. Dies betrifft die Telefongespräche, aber in rasantem Tempo immer mehr Textübermittlungen wie Mails und neuerdings sogar SMS.

Punkt 3: Wir sind nicht allein...

Gut zu wissen, dass es den Bernern, Zürchern und Luzernern gleich geht. Kümmert einen nur wenig, wenn man in der Grenzwert-Bar sitzt und eben mal die Kollegen per WhatsApp herbestellen will. Auch hier trägt das Leid den Buchstaben «E». Sollten Sie Kunde von Swisscom sein, lachen Sie Ihre Kollegen mit anderen Anbietern besser nicht aus. Denn Ihnen kann das selbst ziemlich rasch gleich ergehen. Oder wie es Salt ungeniert formuliert: «Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass die Netzwerkqualität der anderen Anbieter in besagtem Gebiet generell nicht signifikant besser wäre.» 

«Zusätzliche Kapazität, zum Beispiel in Form von zusätzlichen Mikroantennen, muss bereitgestellt werden, um den Kunden ein gewohnt gutes Mobilfunkerlebnis zu bieten», sagt da Swisscom-Sprecherin Hubacher. Die Firma baut pro Jahr schweizweit 250 bis 300 neue Antennen – allerdings beklagt auch sie die politischen, denkmalschützerischen und bautechnischen Einschränkungen von Punkt 1.

Salt wird da ein bisschen konkreter: «In der Tat, im Bereich Gerbergasse / Spalenberg werden nächstes Jahr an einer der drei für dieses Gebiet relevanten Antennen Sendeoptimierungen vorgenommen.» Immerhin: Man schraubt an der Kapazität herum. Bei Sunrise hält man sich bedeckt. Roger Schaller schreibt: «2015 konzentrierte sich Sunrise auf den Support, das Management und die Entwicklung der Netzinfrastruktur. Dabei wurden Investitionen getätigt und insbesondere die Qualität, Verfügbarkeit, Stabilität und Sicherheit des Netzes weiter stark verbessert.» Klingt zwar gut, das Kernproblem aber bleibt. Mit einem einzigen Buchstaben formuliert: «E». Wenns hochkommt.

Dann lest eben Zeitung!

Die Lösung? Ausweichen. Raus gehen, zum Beispiel. Denn wo ein Stück freier Himmel ist, ist der Empfang zum Glück hervorragend. Oder halt aufs WLAN setzen. Das ist zwar toll für Datenverbindung, wenn die Funkverbindung vom Telefon zur Antenne allerdings ausbleibt, bleibt auch das schickste Smartphone stumm. Kein Wunder, promoten die Netzanbieter seit einiger Zeit die Funktion von WLAN-Anrufen. Die muss aber auch erst mal freigeschaltet werden. Und wenn dann selbst das WLAN schwächelt, ist auch da nichts zu wollen.

Den Punktesammlern im Gebäckladen, den Modegooglern in den Boutiquen und den angetrunkenen Nachrichten bringt das allerdings wenig. So bleibt der netzwerkgestützten Gesellschaft selbst im Jahr 2016 nichts anderes übrig, als ganz altmodisch aufs Festnetz auszuweichen. Doch damit ist nächstes Jahr, wenn das private und geschäftliche Kabelnetz endgültig «Voice over Internet» (VOIP) weichen soll, auch fertig. Bleibt die gedruckte Zeitung auf dem WC. Was den Produktivitätsverlust durch die fehlende Funkverbindung wieder ein bisschen auffangen dürfte, weil man dann vielleicht doch etwas weniger lang sitzen bleibt.

Na bitte, so gehts besser: Unter freiem Himmel ist der Empfang super.

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