• Andy Strässle
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Unvorstellbar: 3,2 Milliarden Franken flossen 2015 aus der Schweizer Grenzregion in den deutschen Detailhandel

Sechs Milliarden «grüne Zettel» zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer hat letztes Jahr alleine das Hauptzollamt Lörrach abgestempelt. Danach haben die Basler Einkaufstouristen für rund 573 Millionen Euro in der Nachbarstadt eingekauft. Doch in Wirklichkeit ist es viel mehr, denn längst nicht jeder tut sich das doppelte Prozedere mit den Formularen an der Grenze an. Der starke Franken macht den Einkauf bei vielen Einkäufen schon so interessant genug. Doch die Zettelflut bleibt enorm, dennoch will Deutschland keine Untergrenze für die Ausfuhrbestätigungen zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Es stehe zu viel Geld auf dem Spiel.

Wer nun Mitleid mit dem Hauptzollamt Lörrach zeigt, der hat nicht ­­ganz unrecht. Rheinaufwärts beim Hauptzollamt Singen stempelt man gerade einmal mickrige 11,2 Millionen «Mehrwertsteuerzettel» ab. Allerdings macht man damit im Raum Konstanz einen fast 120 Millionen grösseren Umsatz, nämlich 695,49 Millionen Euro. Die Detailhandelszahlen entlang des gesamten Hochrheins liegen laut der Deutschen Handelskammer IHK stabil bei rund 4,5 Milliarden Euro. Davon machen die Geschäfte mit den Schweizern etwas mehr als einen Drittel aus. In Deutschland wird im Moment heftig darüber diskutiert, eine «Bagatellgrenze» von 100 Euro für Einkaufstouristen einzuführen, um den administrativen Aufwand mit den Ausfuhrzetteln in den Griff zu bekommen und den Aufwand für die Zollämter zu reduzieren.

Bagatellgrenze gegen die Zettel

Die Industrie- und Handelskammer Hochrein-Bodensee IHK in Konstanz will von einer solchen Grenze allerdings gar nichts wissen. Geschäftsführer Uwe Böhm sprach anlässlich der Präsentation der Studie zur wirtschaftlichen Verflechtungen in der Oberrheinregion von einer «existentiellen Frage». Denn 80 Prozent der Einkäufe lägen unter 100 Euro und 30 Prozent gar unter 50 Euro. Man müsse aber bedenken, dass die Schweizer im grenznahen Umland nicht nur «einkaufen», sie würden dort ja auch essen und ab und zu in den Ausgang gehen.

Während der deutsche Einzelhandel stabil geblieben ist, leidet der Detailhandel in der Schweiz. Die Konjunkturforschungsstelle BAK Basel spricht 2015 von einem Umsatzrückgang von 2,3 Prozent. Die Gründe dafür seien Preisabschläge auf Esswaren und Konsumprodukte, wie etwa Kosmetika. Für 2016 befürchtet BAK Basel einen zusätzlichen Einbruch bei weiteren Warengruppen, wie Kleidern oder bei Möbeln. In der Nordwestschweiz waren die Auswirkungen etwa beim Grosshändler Migros-Genossenschaft in unserer Region noch erstaunlich gering. Gerade einmal 0,3 Prozent büsste das Unternehmen ein.

Einbrüche beim zweiten Grossverteiler

Stolze 933,6 Millionen Umsatz meldete die Migros-Genossenschaft in ihrer Bilanzmedienkonferenz im April. Der zweite Schweizer Grossverteiler berichtet aber von einem deutlich höheren Einbruch. Landesweit sei der Umsatz um 4,3 Prozent zurückgegangen. Allerdings weist Coop die Umsätze nicht mehr nach Verkaufsregionen aus. Das wäre auch nicht besonders aussagekräftig, da die Nordwestschweiz mittlerweile konzernintern mit der Zentralschweiz zusammengelegt worden ist. 

In der Grenzregion profitieren natürlich beide Regionen vom regen Austausch. Dennoch: Die Studie der IHK weist aus, dass zu unseren Nachbarn im Landkreis Lörrach eine Milliarde und 150 Millionen Franken fliessen. Gesamthaft gingen 2015 rund 3,2 Milliarden, also Franken nach Deutschland. Da verwundert die Einstellung von Geschäftsführer Uwe Böhm nicht. Davon kann man sich schon ein paar Ausfuhrformulare leisten.

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