Ein Baum auf der Jagd nach einem holden Mädchen. Fotos: Michel Schultheiss
Ein Baum auf der Jagd nach einem holden Mädchen. Fotos: Michel Schultheiss
  • Christian Gentsch

Wenn Bäume junge Mädchen jagen, ist Pfingsten – in Ettingen

An Pfingsten sieht man schreiende Mädchen, rennende Bäume und ein gut gelauntes Volk, das sich ab dem Schauspiel belustigen lässt. Natürlich nicht auf dem Barfi oder dem Marktplatz, sondern in den Gassen der Gemeinden Ettingen, Sulz und Gansingen. Doch hier geht es nicht um eine übernatürliche Geschichte, sondern es handelt von einem alten Brauch, den die Jugend auf dem Land noch heute aufleben lässt.

Pfingsten. Während die Christen ganz gesittet ihren Gott zelebrieren, geht es auf dem Land weniger zivilisiert zu und her. Ettingen feiert jährlich einen dieser etwas spezielleren Bräuche: den Pfingstblitter.

In der Früh des Pfingstsonntags machen sich junge Burschen der Baselbieter und aargauischen Gemeinden Ettingen, Sulz und Gansingen auf den Weg in die Tiefen der umliegenden Wälder, um ihre Gestalt zu wandeln und in neuem Gewand in die Dörfer zurückzukehren. Für die Metamorphose schneiden die Jünglinge grünen Buchenreisig von den Bäumen, um anschliessend die Pfingstsprützligen – die Auserwählten – mit dem geschnittenen Buchenlaub einzukleiden, sodass sie in der Gestalt eines Baumes die Gassen ihrer Dörfer unsicher machen können.

Die Pfingstblitter kehren aus dem Wald zurück. Foto: Michel Schultheiss

Die Pfingstblitter kehren aus dem Wald zurück. Foto: Michel Schultheiss

Obwohl die menschgewordenen Bäume etwas träge herkommen, fangen sie schnell ihre ersten weiblichen Opfer. Widerstand ist zwecklos. Kreischend und widerwillig wird die Beute in den nächstgelegenen Brunnen geworfen. Nach dem alten Brauch soll damit die Fruchtbarkeit der jungen Frauen beeinflusst werden, sodass sie nach dem unfreiwilligen Sprung ins kühle Nass schwanger werden. Doch dieser alte Volksglauben ist natürlich auch in Ettingen nur noch ein Aberglauben.

Die ersten Opfer werden in die Brunnen geworfen. (Foto: Michel Schultheiss)

Die erste Opfer wird in den Brunnen geworfen. (Foto: Michel Schultheiss)

Neben den freudigen Verfolgungsjagden, rennenden Mädchen und vielen lachenden Gesichtern wird auch ordentlich getrunken. So werden die wandelnden Büsche nach ihrer kräftezehrenden Pirsch reichlich mit Bier und selbstgebranntem Quittenschnaps verkostet. Früher wurden zum Schluss der Veranstaltung die Pfingstblitter selbst von Teilnehmern in den Brunnen befördert. Doch über die Jahre wandelte sich die Tradition, sodass heute die Pfingstsprützligen bereits während dem Schauspiel auf der Hut sein müssen, weil sie immer wieder vom Jäger zum Gejagten werden. Doch die Brunnentaufe ist auch heute noch Tradition, nur dass die Auserwählten jeweils ein freiwilliges Bad im Brunnen nehmen. Zum Schluss erhalten die durchnässten und ausgelaugten Jäger eine wohlverdiente Mahlzeit.

Nach getaner Arbeit ein kühles Bier. (Foto: Michel Schultheiss)

Nach getaner Arbeit ein kühles Bier. (Foto: Michel Schultheiss)