Ein Jahr vor den nächsten Wahlen zofft sich die Basler SVP öffentlich. Montage: Nathan Leuenberger
Ein Jahr vor den nächsten Wahlen zofft sich die Basler SVP öffentlich. Montage: Nathan Leuenberger
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

27 Jahre Streit: Pleiten, Pech und Pannen in der Basler SVP

In extremis hat die Basler SVP die Zereissprobe abgewendet. Vor wenigen Minuten verschickte die Partei eine Medienmitteilung, dass Parteipräsident Lorenz Nägelin zwischen den Streithähnen Joël Thüring und Sebastian Frehner habe vermitteln können.

Nationalrat Sebastian Frehner hatte seinen einstigen Assistenten und Parteikollegen Joël Thüring angezeigt. Der Vorwurf: Dieser habe seine Mails gelesen. In der Basler SVP brach ein offener Grabenkampf auf. So forderten Partei und Fraktionsmitglieder am Ende gar, den Parteiausschluss von Frehner. Jetzt hat der Parteipräsident ein Machtwort gesprochen. Nach einer Mediation durch Nägelin und mehreren Gesprächen in den letzten Tagen, sei Frehner nun bereit die Anzeige gegen Thüring zurückziehen. Aber auch Thüring muss Federn lassen. Er gibt das Parteisekretariat ab. Damit soll ein Jahr vor den Wahlen der Schaden für die Partei gegrenzt werden. Ausgestanden ist damit die Affäre wohl nicht. Denn die unversöhnlichen Streitereien innerhalb der Basler SVP haben eine lange Tradition. 

Nur Sex-Skandal fehlt noch

Das einzige, was der Basler SVP noch fehlt, ist ein tüchtiger Sex-Skandal. Finanzaffären, Schlammschlachten und Machtkämpfe ohne Ende hat sie in ihrer 27-jährigen turbulenten Geschichte schon geliefert. Nach der Gründung 1991 drehten sich die Auseinandersetzungen beim Basler Ableger der Schweizerischen Volkspartei (SVP) um den Ton. Ganz so angriffig und polterig auftreten wie die nationale Partei um Christoph Blocher und Ueli Maurer wollte man am Rheinknie nicht. Grund für die Unruhe war Parteichefin Angelika Zanolari. Die spätere Grossrätin und Parteipräsidentin spuckte Gift und Galle, wetterte gegen Ausländer und Überfremdung. Legendär ein Auftritt im vollen Saal des Landgasthofs in Riehen mit den angereisten Stargästen Christoph Blocher und Ueli Maurer.

Nicht nur die Gäste aus Bern rieben sich die Augen, auch die Journalisten auf der Galerie folgten Zanolaris Rede eher ungläubig. Die Basler SVP-Vertreterin beschrieb die Pausenplätze der Basler Schulen als Orte, die man höchstens noch bewaffnet betreten konnte. Auf den Pausenhöfen sei Mord und Totschlag an der Tagesordnung. Der Grund dafür natürlich «die Ausländer». Heftig gewundert hatte sich auch Jean Henri Dunant, der später Parteipräsident und Nationalrat werden sollte. Die Gräben innerhalb der SVP waren von Anfang an da. Zwar staubte die Basler Sektion bei den Wahlen ab und Basel war nach der EWR-Abstimmung von 1992 bald keine «SVP-freie Zone» mehr, wie es Regierungsrat Christoph Eymann einmal stolz gesagt hatte. 1999 eroberte Dunant einen Nationalratssitz. Im Jahr 2000 hatte die Partei ihren Wähleranteil verdreifacht. 

Streit um Polit-Stil

Bald reisten Blocher und Maurer regelmässig nach Basel. Immer wieder versuchten die Parteibosse die Basler in die Spur zu bekommen. Die Partei zu einen. Aber das blieb schwierig. So distanzierten sich die Grossräte immer wieder von Präsidentin Zanolari. Hintenrum warf man ihr gar vor, sie habe einen farbigen Geliebten. Und da wäre er dann doch noch: der Sex. Auch der mittlerweile verstorbene Arzt Jean-Henri Dunant, der mit seiner eher gemässigten Art dafür gesorgt hatte, dass die SVP am Rheinknie wählbar wurde, bekam die Lage nie in den Griff. Während Angelika Zanolari sämtliche Erfolge der Partei für sich in Anspruch nahm, spaltete ihre harte Linie nicht nur die Grossratsfraktion, sondern auch die Partei.

Zanolari rausgeschmissen

In dieser Zeit brachten sich Sebastian Frehner und Joël Thüring in Stellung. Stramm hielten sie Dunant die Treue. Dieser verbrachte aber bald immer mehr Zeit in seinem Tessiner Ferienhaus und in Bern sorgte der ehemalige Chirurg höchstens einmal im Jahr für Schlagzeilen: Dann nämlich, wenn er die Abwesenheits-Liste des Nationalrats anführte. Zu einem ersten grossen Crash kam es im Jahr 2005. Mehr oder weniger freiwillig gab Angelika Zanolari das Parteipräsidium ab. Sie blieb zwar Grossrätin bis 2008. Für die Wahlen stellte die Partei sie dann endgültig kalt und schloss sie aus der Partei aus.

Unterdessen war Sebastian Frehner der starke Mann. Zusammen mit Parteisekretär Joël Thüring gelang es ihm die Fäden in die Hand zu nehmen. Nach einer Intervention von Christoph Blocher, dem die Basler immer noch zu abtrünnig und zu wenig erfolgreich waren, musste Frehner das Parteipräsidium an Lorenz Nägelin abgeben. Heute ist es wieder Joël Thüring, der für Schlagzeilen sorgt: Er wurde von Frehner angezeigt, weil er dessen E-Mails gelesen haben soll. Parteiintern sorgte vor einigen Wochen schon für Streit, dass Thüring für seine Feier als Grossratspräsident 15'000 Franken ausgegeben haben soll, ohne den Segen der Partei eingeholt zu haben, wie der Rechnungsführer der SVP öffentlich machte. Zwar versuchte Nägelin diesem einen Maulkorb zu verpassen, aber das gelang mehr schlecht als recht. So muss die SVP an ihrer Generalversammlung am 24. Mai nun über diese Ausgaben beraten.

Vom Ärger mit dem Geld

Überhaupt hat es Thüring nicht so mit den Finanzen. Schon als Präsident der Jungen SVP hatte er in die Kasse der Jungpartei gegriffen. Zwar zahlte er das Geld zurück, doch kosteten ihn diese Wirren das Amt als Parteisekretär und Frehner distanzierte sich öffentlich erstmals von seinem Weggefährten. Trotzdem hielten die beiden SVPler noch zusammen. Thüring arbeitete als Assistent weiter für Frehner und organisierte etwa dessen Nationalratstermine in Bern. So kann es gut sein, dass er Zugang zu Frehners Mails hatte.

Die Anzeige und deren Öffentlichmachung erscheint wie eine Abrechnung vor den Wahlen. Denn nach seinem Jahr als Grossratspräsident wuchs Thürings öffentliches und politisches Profil. Unterdessen soll die Basler SVP, wie die Basellandschaftliche Zeitung berichtet, sogar über einen Parteiausschluss ihres Nationalrats nachdenken. Gleichzeitig schiesst Parteipräsident Nägelin offen auf Thüring, dem man Regierungsratsambitionen nachgesagt hatte. Nach dieser Affäre sei unwahrscheinlich, dass er noch für ein «öffentliches Amt in Frage» komme. Es ist wieder wie zu Zanolaris Zeiten: Die Exponenten der Partei demontieren sich schon ein Jahr vor den Wahlen in aller Öffentlichkeit. Auf die Hilfe von SVP-Übervater Christoph Blocher kann die Sektion nicht hoffen. Er hatte bei der Medienorientierung zum BaZ-Verkauf nur gepoltert, die Basler seien einfach zu «unschweizerisch».

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