• Christine Staehelin
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Adie Stadtcasino: auf Wiedersehen in drei Jahren

Am 1. Juli 2016 verabschiedet sich die Casino-Gesellschaft mit dem Konzert «Abschied auf Zeit» für die nächsten drei Jahre aus dem Musiksaal des Stadtcasinos. Danach beginnen die Umbauarbeiten. In den nächsten drei Jahren finden die Konzerte des Sinfonieorchesters Basel, des Kammerorchesters, des Collegiums Musicum, der Sinonietta und der AMG im Musical Theater statt. Zeit, einen Blick in die bewegte Vergangenheit der Kulturinstitution zu werfen. Barfi.ch hat sich ins Archiv begeben und zeigt, dass der Wandel schon immer Teil des Stadtcasinos war.

Von den Anfängen...

Es ist heute kaum vorstellbar: Als im Jahr 1820 das Schweizerische Musikfest in Basel stattfand, gab es am Rheinknie keinen Konzertsaal, der weder stickig war noch eine gute Akustik hatte. Im Rahmen dieses Festes entstand eine provisorische Kommission, die ein sogenanntes Gesellschaftshaus errichten wollte. Aus dem von der Kommission gestellten Antrag geht hervor, dass es der Zweck dieses Gebäudes sei «den Sinn für das Schöne, für gesellige Freuden in unserer lieben Vaterstadt zu beleben, die verschiedenen Alter und Stände zu nähern, hierdurch die Sitten zu veredeln». Die Regierung versprach zunächst, eine finanzielle Unterstützung zu leisten, trat jedoch von diesem Angebot zurück. Stattdessen schenkte sie der Kommission ein frei gewordenes Grundstück am Barfüsserplatz. Mit der Gründung der Stadtcasino-Gesellschaft am 16. Februar 1824 wurde es ernst: Ein Neubau des Architekten Melchior Berri wurde geplant, der schon zwei Jahre später in Betrieb genommen wurde. 

Das alte Stadtcasino über dem noch offenen Birsig, gesehen von der Ecke Theaterstrasse/Steinenberg aus. Aquarell von Johann Jakob Schneider (Archiv Casino-Gesellschaft).

...zum gefragten Musiksaaal   

Nebst dem Stadtcasino fand das gesellschaftliche Leben während den Sommermonaten im Sommercasino statt: Mit einer Kegelbahn, Roulette und Billard konnte man sich spielerisch vertun. Auch Zeitungen lasen die Basler Bürger dort, Konzerte sowie Bälle fanden im klassizistischen Bau statt. So, wie man es von einem englischen Country Club kennt. Doch das ländliche Idyll wurde jäh gestört: Während der Wirren um die Kantonstrennung wuchs die Angst vor plündernden Baselbietern. Das Sommercasino befand sich ausserhalb der Stadtmauer und war somit exponiert. Um den Verlust bei einem möglichen Überfall möglichst gering zu halten, wurde das gesamte Intérieur ins Stadtcasino in Sicherheit gebracht. Während das Sommercasino in den nächsten Jahren defizitär wurde, blühte im Stadtcasino das gesellschaftliche Leben auf: Dank Ernst Reiter, Geiger, Komponist und Basler Orchesterleiter, wurde Basel für seine hervorragenden Konzerte bekannt. Ein weiterer Höhepunkt war der neue Musiksaal, der im Jahr 1876 fertiggestellt wurde: Die Akustik gehört zu den besten der Welt. So wurde Basel mit einem Schlag zu einem gefragten Ort für Konzerte. Gerade während des Ersten Weltkriegs fand das kulturelle Leben in Basel statt, auch im Stadtcasino. 

Konzert mit Hans Münch im Musiksaal des Stadtcasinos Basel (Fotoarchiv Jeck Basel/Casino-Gesellschaft Basel)

Gegen die Spiesser!

In ganz Europa herrschte Krieg, im letzten Kriegsjahr entstand eine Versorgungsnotlage, sogar in der Schweiz. Die Basler besuchten trotzdem das Stadtcasino, sehr zum Missfallen der Arbeiter. Im April 1918 kam es dann zum Eklat: Der Arbeiterbund Basel organisierte eine öffentliche Versammlung, mehrere hunderte Menschen marschierten durch die Basler Innenstadt zum Barfüsserplatz, «Zum Casino, zum Casino!» rufend. Dort angekommen, rief einer: «Wir geben den Spiessern drei Minuten Zeit, das Lokal zu räumen, dann wird es gestürmt!» Die Bürger im Casino schauten durch die Glasveranda nach draussen. Noch ahnten sie nicht, was ihnen blühte. Ein erster Stein flog. Die Fensterfront zersprang. Die Demonstranten stürmten das Stadtcasino, die Bürger flüchteten in die inneren Räume. Stühle und Tische wurden zerschmettert, der Kronleuchter fiel auf den Boden. Die Besucher des Stadtcasinos flüchteten blutend und mit zerrissenen Kleidern ins Freie.

Auf der Schwarzen Liste der Alliierten

In der Zwischenkriegszeit konnte sich die Casino-Gesellschaft einen Neubau leisten, der Ende 1939 eingeweiht wurde. Doch es kamen schwere Zeiten auf das Stadtcasino zu: Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ging ein Rückgang der Besucherzahlen einher. Auch auf der politischen Bühne machte das Stadtcasino von sich reden: Die sogenannte «Deutsche Kolonie», ursprünglich eine unpolitische Institution und auch regelmässige Saalnutzerin, mietete die Räumlichkeiten für nationalsozialistische Massenveranstaltungen. Als diese Berichte nach England gelangten, kamen der Vorstand der Casino-Gesellschaft, sowie der Saalverwalter auf eine «Schwarze Liste». Während der gesamten Kriegszeit versuchte die Casino-Gesellschaft, diese Einstufung rückgängig zu machen. Der Regierungsrat setzte sich beim Bundesrat für die Casino-Gesellschaft ein, man überlegte sich, dass der Pächter nur in Rücksprache mit dem Kommissionsausschuss Vermietungen vornehmen dürfe. Am Presseball 1943 nahmen Angehörige des britischen und amerikanischen Konsulates teil. Kurz vor Kriegsende wurde dann die Casino-Gesellschaft von der Schwarzen Liste entfernt. Der «Tolggen im Reinheft» war entfernt, der Zukunft konnte man rosig entgegensehen.

Zeit der Modernisierung

Doch die Nachkriegszeit brachte nicht den gewünschten Aufschwung. Fasnachts- und Maskenbälle konnten nicht wiederbelebt werden, die Cabaret-Vorstellungen wurden nicht mehr so gut besucht. Erst mit dem Wirtschaftswunder kehrte wieder Publikum in die Musiksäle, das Stadtcasino war wieder ein gut besuchter Betrieb. Passend zum hundertjährigen Jubiläum begann im Jahr 1976 eine lange Zeit der Renovation. Dank einer öffentlichen Sammelaktion, Bundes- und Kantonsgeldern, sowie Eigenmitteln kam die erwünschte Modernisierung zustande.

Am Tag der Offenen Tür am 20. August kann zwischen 10 bis 17 Uhr klassische Musik in einem völlig neuen Ambiente und nach kostenintensiven Investitionen in die Raumakustik auch in perfekter Tonqualität erlebt werden.