Hier soll das neue Quartier auf dem Wolf entstehen – jetzt läuft eine Studie an, die zeigen soll, wie viel Wohn- und Gewerberaum entstehen kann. ©«Gesamtperspektive»SBB/beide Basel
Hier soll das neue Quartier auf dem Wolf entstehen – jetzt läuft eine Studie an, die zeigen soll, wie viel Wohn- und Gewerberaum entstehen kann. ©«Gesamtperspektive»SBB/beide Basel
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Auf den Wolf gekommen: Jetzt baut Immobiliengigant SBB gleich ein ganzes Quartier in Basel

Der Güterbahnhof Wolf ist längst Nostalgie. Einst Zollfreilager, Zollamt und Umschlagsplatz ist er seit Jahren eine Brache. Bald soll ein hübsches neues Wohn- und Gewerbequartier für Basel entstehen. Über das mögliche Investitionsvolumen schweigt man sich aus. Klar ist: Der Kanton freut sich schon auf mehr Wohnungen.

Das Gleis-Areal beim Basler Wolf steht in der Stadt heute für genau: nichts. Eine eher staubige Industriefläche, zahlreiche Parkplätze für den Güterumschlag, Geleise, Lagerhallen, Gewerbeflächen: Der Wolf ist ein städtebaulicher Unort aus dem Bilderbuch für Liebhaber spätindustrieller Betonromantik. 

Aber nicht mehr lange. Die SBB treiben die Entwicklung eines neuen Stadtquartiers tüchtig voran. Was 2013 angekündigt wurde, machten die SBB heute per Mitteilung konkret: Ab nächstem Jahr wird die Planung eines ganz neuen Quartiers in der Stadt vorangetrieben. Im Frühling 2017 startet ein Studienauftragsverfahren, das ein Jahr lang dauern soll. Bereits ab diesem werden die jetzigen auf dem Areal beteiligten Firmen und Nachbarn befragt und miteinbezogen.

Damit ist klar: Jetzt erhält auch Basel sein SBB-Quartier. Ähnlich wie die Europa-Allee in Zürich, auf der schon tüchtig an mehreren Baufeldern gebaut wird. Für mehr Wohnraum, fürs Gewerbe, für Gastronomie. Also für alles, was das Herz dieser gigantischen Immobilienfirma namens SBB höher schlagen – und die Kassen der Bodenbesitzerin klingeln lässt.

Hübscher Slogan, grosse Pläne

Das Motto dabei ist schön modern und politisch schlank gehalten. «Smart arbeiten, urban leben». Dabei ist das Basler Wolf-Projekt kein Klacks. Auch wenn es nur etwa halb so gross ist, wie das kantonale Projekt «Klybeck Plus», so umfasst das Areal auf dem Wolf doch rund 16 Hektaren. Auf denen stehen jetzt Bahnanlagen und Logistikbetriebe wie Freiverlad, City-Logistik sowie ein Containerterminal.

Den Rahmen bildet die 2013 vorgestellte «Gesamtperspektive» von SBB und den beiden Basel. Darin enthalten ist auch das trimodale Güterterminal am Hafen in Basel Nord. Und genau das bietet den Anlass für die Wolf-Entwicklung: Kommt das Güterterminal, wird auf dem Wolf schön Platz frei.

Ganz alles kommt aber nicht weg. Einige Logistikbetriebe sollen bleiben. Zudem sind einige Gebäude als schützenswert eingetragen. Und die Gefahrentransporte, die über die Bahnlinie Nord-Süd via Basel stattfinden, dürfen auch nicht gerade an Wohnbauten vorbeiführen.

Deshalb sollen sich jetzt mehrere Planerteams an dieses Prestige-Projekt wagen und prüfen, was auf dem Wolf überhaupt rauszuholen sei. Erste Resultate sollen 2018 vorliegen. Der Kanton freut sich: Schliesslich sehen die SBB vor, dass neben Gewerbe auch Wohnen und Gastronomie stattfinden soll. Inklusive hübscher Begrünung.

Vom freundlichen Bähnler zum Immobilienhai

Noch halten sich die SBB weitgehend bedeckt. Sprecher Daniele Pallecchi sagt: «Grundeigentümerverbindliche Planungsentscheide werden erst nach 2020 vorliegen. Wir befinden uns in einem sehr frühen Stadium des Projekts. Präzisere Angaben sind vor dem Hintergrund des Planungsstandes derzeit nicht möglich.» Deshalb schweigen sich die SBB auch zu möglichen Investitionsvolumen und überhaupt zu allen Finanzfragen aus. Klar ist bislang, dass die SBB Grundeigentümerin sind und auch bleiben werden.

Der Kanton Basel-Stadt freut sich schon mal. Vor allem über die Aussicht an mehr Wohnraum auf Stadtgebiet. Wie Daniel Hofer vom Basler Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) sagt, sei das eine klare Erwartung an dieses Studienauftragsverfahren. «Wir orten durchaus Potenzial für Wohnungsbau», sagt Hofer. Wo und wie genau, das soll jetzt diese Studie zeigen. 

Die SBB werden mit jedem dieser Projekte mächtiger in der Rolle eines Immobilienmagnaten. Der Betrieb, der im Kernauftrag Passagiere und Güter per Schiene von A nach B bringen soll, verfügt über eines der national grössten Immobilienportfolios. Viele Flächen, die vor Jahrzehnten noch für die Bahninfrastruktur genutzt wurden und heute brach liegen, werden Stück für Stück umgebaut und umgenutzt.

Dabei lässt die Abteilung Immobilien der SBB nichts anbrennen. Wenn es sich lohnt, wird gebaut: Zum Beispiel ein mächtiges Hochhaus von Herzog & de Meuron auf der Südseite des Basler Bahnhofs. Oder gleich ein neues Quartier auf dem staubigen Basler Wolf. Das Land bleibt natürlich jeweils im Besitz des Transportbetriebs.

«Der Bundesrat hat die Division Immobilien der SBB beauftragt, durch eine gezielte Entwicklung der Bahnareale an den Wertsteigerungen der Grundstücke und Immobilien zu partizipieren», sagt Mediensprecher Pallecchi: «Jeder dort verdiente Franken fliesst vollumfänglich ins System Bahn zurück und entlastet damit die Steuerzahlerinnen und –zahler.» Und verdienen tun die SBB daran fraglos gut. Schliesslich sind die Areale gerade um die Bahnhöfe hervorragend erschlossen, mindestens ebenso gut frequentiert und die Ladenflächen gehen weg wie die warmen Brötchen, die schliesslich dann dort verkauft werden.

Ganz viel ÖV ist schon angedacht 

Da es sich beim Wolf um ein eigenständiges Areal jenseits des Bahnhofs handelt, muss die Erschliessung erst noch gemacht werden. Angedacht sei auch eine S-Bahn-Station für das künftige Wolf-Quartier, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt. Dabei gehe es um «einen neuen Halt, nicht die Umnutzung der bestehenden Gelegenheits-Haltestelle beim Stadion, wie im BVD zu erfahren war.» Die Verantwortlichen würden auch eine zusätzliche Tramhaltestelle an der St. Jakobs-Strasse prüfen.

Ganz allein werden die SBB und das BVD die Sache jedoch nicht durchschaukeln. Wie BVD-Mediensprecher Daniel Hofer sagt, wird voraussichtlich ohnehin eine Anpassung des Zonenplans stattfinden müssen, da es sich dort auf dem Wolf um Gleisareal handelt. Bevor dort also überhaupt gewohnt werden darf, muss der Grosse Rat die Änderung absegnen – und auch sein Ja zu einer voraussichtlich millionenteuren Beteiligung am SBB-Projekt geben. Immerhin werden wohl auch die SBB zur Kasse gebeten: Im Falle einer Umzonung muss die Grundeigentümerin eine entsprechende Mehrwertabgabe leisten. Denn der Wert des Wolfs dürfte sich markant steigern.

Ob sich dieses schöne neue Quartier zum «smart Arbeiten und urban Leben» schliesslich auf die jährlich steigenden Preise der SBB auswirken wird, bleibt allerdings mehr als fraglich. Schliesslich müssen die SBB auch Millionen in den Unterhalt der Netzinfrastruktur stecken – und Quartierentwicklungen wie auf dem Wolf sind auch nicht gerade billig. Da schaut der Billettkunde der Abteilung Personenverkehr meist in die Röhre. Aber wenigstens darf er in einer wunderbaren Siedlung in direkter Gleisumgebung wohnen. Vorausgesetzt, er kann es sich leisten.