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  • A. Strässle / A. Schwald
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Ciao, Puch: Das Töffli stirbt in Basel aus – dabei hat es längst ein Revival verdient

Allein der Duft des Zweitakters, das Knattern des Motors, die wild-eingefallene Körperhaltung des Fahrers: Das Töffli stirbt in Basel aus, nur ein paar letzte Überlebende sind auf freier Fahrbahn noch zu sehen. Dabei hat das grosse Symbol jugendlicher Freiheit unbedingt ein neues Leben verdient. Warum? Darum:

1. Der Töffli-Lebensstil

Vor 35 Jahren war es noch keine Frage. Da schwang man sich am 14. Geburtstag in den Sattel. Endlich motorisiert. Und die Eltern hatten ja damals auch noch Benzin im Blut. Die grosse Frage lautete damals: Ein Maxi Puch oder ein Ciao? Eleganter Italiener oder doch ein harter Rocker? Die Konfliktlinie bei der Töffli-Wahl wurde zur Frage des Lebensstils: Da hiess es George Michael gegen AC/DC. Dann war da noch die Frage der Geschwindigkeit, respektive der Frisierbarkeit. Und man muss es zum eigenen Leidwesen sagen, der Maxi-Mensch blickte immer in die Röhre, die Ciaos waren schneller. Denn die waren wirklich immer besser frisierbar.

2. Das seelenlose E-Bike überrollt das kleine Mofa

Einmal Ausflug, bitte: Knallharter Töfflibueb bei der Mofasegnung 2016 in Einsiedeln. ©Keystone

Totgeglaubte leben länger. Plötzlich zählte die Motorfahrzeugkontrolle Baselland wieder fast 7'000 angemeldete Töffli. Allerdings war ein Drittel von ihnen keine Mofas sondern E-Bikes. Da diese auch mit mehr als 25 Sachen unterwegs sind, brauchen sie ebenfalls eine gelbe Nummer. Noch 2008 waren gerade einmal 5'000 Mofas angemeldet gewesen. Das Mofa, ein vom Aussterben bedrohter Dinosaurier. Aber immerhin gibt es Leute, die dem Töffli die Treue gehalten haben. So knattern etwa die «Toeffli-Buebe» mit einem Clublokal in Allschwil in einer Zivilschutzanlage fröhlich in der Region herum und empfinden Roller als «seelenlose» Gefährte. Da Mofas nur noch schwer zu bekommen sind und Ersatzteile viel Geld kosten, werden sie wohl kaum wieder zurückkommen. Aber ein paar selbsternannte «Gruftis» mögen sie immer noch. Die klassischen Modelle von Puch oder Piaggio sind sowieso schon ausgestorben: Das Maxi oder der Ciao sind Raritäten geworden, produziert werden sie nicht mehr. Die neue Mobilität hat dem Klassiker den Kolben gesprengt.

3. Wilde Jagd nach alten Gurken

Für gutes Geld zu haben: Ein Puch-Klassiker. Screenshot www.ricardo.ch

Aber hey, das frisierte Puch Maxi vom schrägen Onkel? Heisse Ware! Die Zweiräder – am besten mit üblen Lenkern –laufen im Internet bestens. Besser als im Fachhandel, sagt Ruedi Wenger vom gleichnamigen Zweiradgeschäft im Gellert. Er selbst führt nur noch die Modelle dreier Hersteller in seinem Geschäft. Regelmässig kämen aber noch Kunden, die sich gerade für Occasionen begeistern. Wenger muss sie dann ins Internet vertrösten, wo Schätze warten. Aber teure Schätze: Die tollen Stühle gibt es ab 1'000 Franken, günstigere von Bauernhöfen sind aber auch zu haben. Wer also beim schrägen Verwandten noch eine Perle aus alten Jahren findet, kann gutes Geld daraus machen. So man sich dann überhaupt zum Verkauf der Preziose durchringt. 

4. Steile Fahrt, fiese Pässe, kühler Wind

Hübscher Ausflug, stotternder Motor: Das Red Bull-Alpenbrevet 2014, die Töffli-Route. ©Keystone

Einmal errungen, sollte man die Knattermaschine unbedingt parat machen. Nicht nur für den lauten Stadtverkehr, sondern für ihren eigentlich Daseinszweck: Die wilde Fahrt über weite Strecken, den Fahrtwind von atemberaubenden 30 Stundenkilometern (maximal, frisiert vielleicht ein paar mehr) im Haar. Klassiker sind die Gotthard-Querung (notfalls in die Pedale trampen, wenn der getunte Zweitakter in den Serpentinen darniederliegt) oder eine Fahrt mit Kumpels über den Grimsel- oder Susten-Pass. Einfach nicht die Memorial-Fahrt für Blueme-Fritz selig wagen: Das Basler Stadtoriginal nahm vor Jahrzehnten mangels Lesekompetenz mit seinem Töffli den direkten Weg, wählte den Gotthardtunnel und wurde wegen grober Verwirrung des Leicht- und Schwerverkehrs im Tessin festgenommen. Befreit wurde er vom damaligen Basler Polizeidirektor Karl Schnyder persönlich. Die Ticinesi erliessen Blueme-Fritz daraufhin nicht nur die Busse, sondern gaben ihm gleich noch einen Teller Spaghetti aus. Dennoch empfehlen wir: Nachahmer-Faktor unter Null, zumal Baschi Dürr kaum einen weiteren Basler Töfflibueben aus den Fängen südschweizerischer Polizei befreien dürfte.

5. Todesstoss: Tanke schluckt Sackgeldfresser

Tuck, tuck, flexibel mobil: Ein Mofa-Fahrer im Gundeli. ©Keystone

Nicht nur die Mobilität, auch der Nachschub bereiten das Totenbett fürs Stadt-Töffli. Denn ein Hauptproblem ist die Versorgung mit Treibstoff: Die Zweitakt-Motoren brauchen ein spezielles Gemisch. Früher war an den Tankstellen noch eine Zweitakter-Tanksäule, heute sind die Schläuche so selten wie die Töffli selber. Zweiradhändler Ruedi Wenger sagt, er wisse in der Stadt noch von drei bis vier Tankstellen, wo man Most fürs Hödi erhält. Ansonsten: Fehlanzeige. Und da das Gemisch sonst selbst hergestellt werden muss, schrecken viele davor zurück. Zurecht: Treibstoffmischen ist gefährlich und unterliegt strengen Vorschriften. Wer also mit dem heissen Stuhl ausrückt, markiert sich vorher besser die Adresse der seltenen Oasen in der Treibstoffwüste. Oder er kauft sich ein elektrisches Mofa, aber das klingt dann halt eben auch nicht so lustig wie unser klassischer Liebling der Fortbewegung.

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