Bild: Die Bibliographie eines Produktes der Schweizer Getränkeindustrie.
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  • Christine Staehelin
  • Aktualisiert am

«Coca-Cola als Landesgefahr»: Wirteverein kämpfte gegen Basler Abfüllerei

Wann haben Sie in Basel das letzte Mal ein Coca-Cola bestellt? Vielleicht erst heute, vielleicht ist es auch schon länger her. Fakt ist, hier kann man das berühmte Getränk in jedem Restaurant trinken. Dem war nicht immer so. barfi.ch beschreibt den Kampf des damaligen Basler Wirtevereins gegen das Süssgetränk, das in seiner Gründungszeit Anfang des 19. Jahrhunderts nur in Apotheken als Mittel gegen Depressionen und Schmerzen verkauft wurde und dessen Namen vom ursprünglich verwendeten Zusatz mit Coca-Blättern abgeleitet wurde.

Es dauerte Jahrzehnte, bis das Getränk seinen Weg nach Basel fand. Doch plötzlich waren sie da, die gelben Lastwagen der Firma Delisca AG und verkauften Coca Cola. Genau, es waren nicht diese roten Wagen, wie man sie aus der Coca Cola-Weihnachtswerbung kennt. Die erst 1949 gegründete Firma mit den gelben Lastern war ein Basler Abfüllbetrieb für die braune Brause. Völlig neu war das amerikanische Süssgetränk in der Schweiz jedoch bereits nicht mehr. Zwölf Jahre zuvor wurde die erste sogenannte Abfüllerei in der Bundeshauptstadt eröffnet. Der Berner Automobilimporteur Max Stoss war jener Schweizer, der das amerikanische Süssgetränk –  nach einer Reise durch die Vereinigten Staaten – in die Schweiz brachte. Es war bei Weitem keine willkommene Erweiterung der Getränkekarte, zumindest nicht für die Wirtevereine und die Getränkebranche. In Basel kämpfte man offen gegen die Einführung von Coca-Cola.

© Keystone

Gratis Coca im Gellert 

Mitten im Gellert war die Delisca AG am Anfang zuhause. Im Hinterhaus der Engelgasse 93 stellte man das Basler «Coke» her: Ein von der Coca Cola Export Corporation in Zürich geliefertes Konzentrat von streng geheimer Zusammensetzung wurde unter Beimischung von Zucker in Flaschen gefüllt, wobei bis heute gekühltes kohlensäurehaltiges Wasser zugeführt wird und die Flaschen mit Kronkorken verschlossen werden. Am Abend wurde früher Cola sogar gratis an Schulkinder abgegeben.

Reichhaltige schweizerische Getränkewirtschaft 

Kurz nach der Gründung der Firma, schaltete der Wirteverein Basel-Stadt zehn Inserate in den Zeitungen. Darin stand, dass der Verein seine Mitglieder und den Bäcker- und Konditormeistern darauf hingewiesen habe, den Gästen kein Coca-Cola auszuschenken. «Warum führen die Basler Wirte kein Coca-Cola? Weil die schweizerische Getränkewirtschaft uns und unseren Gästen eine so reichhaltige Auswahl von guten Getränken zur Verfügung stellt, dass wir es nicht nötig haben, diese durch eine mit einem amerikanischen Konzentrat hergestellte Limonade verdrängen zu lassen». Weiter führte das Inserat die Furcht vor offensiver Werbung aus. «Weil wir nicht Schrittmacher sein wollen für ein Getränk ausländischen Ursprungs, das nicht durch besondere Qualität, sondern nur ein Verkaufs- und Propaganda-System seiner Hersteller unseren Gästen aufgedrängt werden soll». Weitere Argumente waren die Konkurrenz zur Schweizer Getränkewirtschaft und der Schutz von Arbeitsstellen in eben jener Wirtschaft.

Ein Schock für die Delisca AG. Kurz darauf wehrte sie sich deshalb ebenfalls mit einem Inserat. «Wenn wir Coca-Cola trinken wollen, dann werden wir es trinken. Wenn wir Süssmost, Wein oder Bier trinken wollen, dann werden wir das trinken. Wenn wir keine dieser Getränke trinken wollen, kann niemand uns dazu zwingen. Das ist unser Recht. Das Recht der freien Wahl». Gezeichnet ist das Inserat mit Delisca AG. Coca-Cola in Basel.  

Bier vs. Süssmost 

Ein Artikel in der eigens dafür gedruckten Broschüre «Die alkoholfreie Gaststätte» aus dem Jahr 1951 hält fest, dass der Kampf gegen das amerikanische Getränk auf einen Rückgang des Süssmost-Verkaufs zurückgeführt werde. Doch dieser war, laut der Broschüre, nicht dem Coca-Cola geschuldet, sondern der wachsenden Beliebtheit von Bier. Im Jahr 1950 stieg der schweizweite Bierkonsum auf 200 Millionen Liter, 1945 waren es noch 112 Millionen. «Es musste also ein Sündenbock gesucht werden, und er wurde auch glücklich gefunden», steht weiter im Artikel. «Man entdeckte plötzlich, dass das schon seit 1935 in der Schweiz hergestellte Coca-Cola eine Landesgefahr darstelle». Grund für den Boykott seien nicht privatwirtschaftliche Interessen, so der Wirteverein, sondern «ausschliesslich die der schweizerischen Volkswirtschaft».

Gegen den Monopolgeist 

© Keystone

Die Öffentlichkeit bezog in diesem Streit klar Stellung für Delisca und gegen den Wirteverein. Peter Dürrenmatt schrieb in den Basler Nachrichten: Es käme ein «bedenklicher Monopolgeist zum Ausdruck, der Coca-Cola nicht nur wegen der Propaganda ablehnt, sondern deswegen, weil der Vertrieb mit neuen Methoden versucht wird, die zu erfinden doch niemandem verboten war». Die National-Zeitung wurde noch deutlicher: «Unsere paar Mineralwasser-Fabrikanten sind grosskapitalistisch organisiert, hängen meist eng mit den Brauereien zusammen und können einen kleinen Umsatzrückgang, den ihnen Coca-Cola schlimmstenfalls bringt, ganz gut auszuhalten».

Doch der Wirteverein hielt an seinem Boykott fest. Es kam zum Rechtsstreit. Parallel versendete die Delisca AG am 12. September 1950 ein Rundschreiben an die Mitglieder des Wirtevereins Basel-Stadt mit der Bitte, den Coca Cola-Boykott beizulegen. Der Brief endet mit der offenen Frage: «Dürfen wir hoffen, dass auch Sie, sehr geehrte Herren, durch das Führen von Coca-Cola zum Ausdruck bringe, dass Sie dem Konsumenten Vertrauen schenken und ihm die Entscheidung im Coca-Cola Konflikt überlassen?»

2 Mio. Kisten Coca-Cola  

In den Unterlagen des Archivs fanden sich leider keine weiteren Aufzeichnungen zum Ende des Streits. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die beiden Parteien eine Einigung fanden. Bis ins Jahr 1984 verkaufte Delisca, dann mit Sitz in Birsfelden, zwei Millionen Kisten des amerikanischen Süssgetränkes. Erst 1997 wurde die Delisca AG geschlossen. In jenem Jahr als Coca-Cola die Gemeinde Dietlikon als ihren einzigen Schweizer Standort wählte. 

© colacity.ch

 

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