Viel Aufmerksamkeit: Die neue Picasso-Schau in der Fondation Beyeler. Dabei war auch eine Enkelin des Künstlers, Diana Widmaier Picasso. Bild: barfi
Viel Aufmerksamkeit: Die neue Picasso-Schau in der Fondation Beyeler. Dabei war auch eine Enkelin des Künstlers, Diana Widmaier Picasso. Bild: barfi
  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Der frühe Picasso: Eine Investition in die Zukunft der Fondation Beyeler

Dank dem kühlen Kopf von Hildy Beyeler besitzt die Fondation in Riehen heute noch ihr Gründergemälde. Aus diesem Anlass lud das Museum heute zu einer gut besuchten Pressekonferenz für die grösste Picasso-Ausstellung, die es je gab. Dumm nur: Eröffnung ist erst im Februar 2019. Die Geschichte ist trotzdem gut.

Frau Beyeler zieht aus

Hildy Beyeler setzte zum Ultimatum an, als sie ihre Koffer unter Pablo Picassos Gemälde «Femme (Époque des "Demoiselles d'Avignon”)» von 1907 abstellte: «Wenn das Bild geht, gehe auch ich.» Ihr Mann Ernst wollte doch tatsächlich das wichtigste Kunstwerk der eigenen Sammlung verkaufen. Der weitsichtige Protest seiner Frau zeigte Wirkung: Das Bild ist bis heute in der Sammlung geblieben.

Dieses Bild sei sozusagen das Gründerwerk der Sammlung Beyeler, und damit auch der Fondation, erklärte Sam Keller heute morgen dem internationalen Publikum und nannte es als Grund für die geplante Ausstellung «Der frühe Picasso – Blaue und Rosa Periode»: «Unsere Picasso-Sammlung beginnt mit diesem Werk, weshalb wir schon seit vielen Jahren von so einer Ausstellung geträumt haben.» Keller bezeichnet die Ausstellung nicht nur als das ambionierteste, sondern auch als das mit Abstand kostspieligste Projekt, welches die Fondation Beyeler je unternommen habe. Temporär soll die ganze Fondation zu einem Picasso-Museum umfunktioniert werden. Hinter den Stuhlreihen der Pressekonferenz konnte man bereits ein Modell der kommenden Ausstellung begutachten.

Pablo Picasso: Femme (Epoque des «Demoiselles d’Avignon»), 1907. Fondation Beyeler, Riehen/Basel © 2017, Succession Picasso/ProLitteris, Zürich. Foto: Robert Bayer, Basel

Basel und Picasso: Eine aussergewöhnliche Liebschaft

Nicht nur die Fondation Beyeler, sondern die Stadt Basel hat bekanntlich ein spezielles, inniges Verhältnis zu Pablo Picasso. 1967 sollte das Kunstmuseum Basel zwei Gemälde des Künstlers verkaufen, um die serbelnde Fluglinie der Besitzerfamilie mit dem Geld zu retten. Glücklicherweise sahen die Eigentümer unter dem Protest aus der Bevölkerung, den das Museum teilweise selbst geschürt hatte, vom Verkauf ab. Picasso, 86 Jahre alt, schenkte der Stadt aus Rührung mehrere weitere Werke, darunter eine frühe Skizze zu «Les Demoiselles d’Avignon».

Die geplante Ausstellung setzt jedoch nicht an die frühkubistischen Versuche von «Demoiselles d'Avignon» an, sondern geht diesen sozusagen voraus: Die blaue und rosa Phasen umfassen einen kurzen Zeitraum zwischen 1901 und 1906. Für den Maler eine intensive Zeit von Verlust und Revitalisierung.

Pablo Picasso: Famille d'Acrobates Au Singe, 1905. Gothenburg Museum of Art, Sweden, GKM 699. © Succession Picasso / ProLitteris, Zürich 2018. Foto: Gothenburg Museum of Art, Sweden

Die Ausstellung beginnt mit einem Todesfall

Nach dem Suizid seines Freundes Carlos Casagemas kurz nach der Ankunft des jungen Picasso in Paris, malte dieser in Folge ein Bild des Toten und mehrere Selbstportraits, in welchen im kaltblauen Ton und den kränklichen gelben Gesichtszügen die Erschütterung des Künstlers hervortrat. Mehrere Jahre versuchte der Maler, seiner Trauer mit den schweren Bildern Herr zu werden. Dies ist die blaue Phase. Erst nach einiger Zeit, etwa ab Ende 1904, fand Picasso zurück zu seinem neuen, alten «Ich», welches das tieftraurige Selbstbild aus «Autoportrait» und «Yo, Picasso» (beide 1901) endlich erlöste. Die Figuren wurden inniger, wärmer und erhalten ihre lebendige Farbe zurück. Deutlich sieht man dies an «Les deux frères» von (1905), welche Geborgenheit und Wärme ausstrahlen wie kaum ein anderes Bild. Das Bild der Brüder, der Beginn der rosa Phase, ist eines der Bilder des Kunstmuseums, die 1967 hätten verkauft werden sollen. 

Erst nach diesem Gemälde wurden die Motive und Farben wieder lustvoller und lebensfreudiger, nackte Frauen und die Gaukler aus Gósol übernahmen die Regie. Picasso schien geheilt. Kurator Raphaël Bouvier sieht in ihnen das komplementäre alter ego des Künstlers am Übergang von der blauen zur rosa Phase: Unkonventionelle Menschen, die trotz ihrer randständigen Position in der Gesellschaft mit ihrer virtuosen Kunst Fröhlichkeit und Leichtigkeit verkörpern. Wie der Maler, der gerade einer Krise entsteigt. Die üppigen Frauen verwandelten sich nach und nach in die kantigen Abstraktionen, die schliesslich mit «Femme (Époque des "Demoiselles d'Avignon”)» den Kubismus einläuteten und so den Kreis in Basel schliessen.

Nebeneinander betrachtet, erscheinen die Abläufe plötzlich klar: Autoportrait, 1901; Femme À La Chemise, ca. 1905; Nu Sur Fond Rouge, ca. 1906; Femme (Epoque des «Demoiselles d’Avignon»), 1907. (Bilder: © RMN-Grand Palais (Musée national Picasso-Paris) / Mathieu Rabeau, Succession Picasso / ProLitteris, Zürich, 2018, Tate, London 2017, © RMN-Grand Palais (musée de l'Orangerie) / Hervé Lewandowski, © 2017, Succession Picasso/ProLitteris, Zürich)

Mit der Ausstellung würde, zumindest temporär, eine Lücke beseitigt, meint Bouvier, denn gerade die beiden Phasen fehlen in der Riehener Sammlung. Das heisst auch, dass praktisch alle Werke ausgeliehen werden müssen. Bei Kunstwerken, von denen nicht wenige hunderte Millionen an Wert haben, schiessen die Transport- und Versicherungskosten schnell in ungeahnte Höhen. «Viele, viele Millionen. Den genauen Betrag erfahren wir, wenn wir eröffnen», meint Direktor Keller. Hat das etwas damit zu tun, dass die Pressekonferenz bereits ein halbes Jahr vor der Eröffnung stattfindet?

Für wen ist eigentlich diese Pressekonferenz?

Aus dem Publikum, welches zu einem grossen Teil international besetzt ist, also von Leuten, welche die fertige Ausstellung kaum zu Gesicht bekommen werden, erklingt die Frage: Ist diese Ausstellung etwa eine Art «Wahlkampfveranstaltung», um damit die Bedeutung dieser Gemälde von Picasso auf dem Markt zu stärken? Zum Beispiel könnten andere Werke in der Sammlung der Fondation dadurch an Wert gewinnen? Keller winkt ab: Nein. Ein Museum verkaufe nicht, sondern kaufe nur ein. Doch wie stark die Bedeutung einer Sammlung vom Marktwert ihrer Werke abhängt, darf nicht vergessen werden. «Yo, Picasso» wurde 1981 von einem Sammler für knapp 6 Millionen Dollar gekauft und nur acht Jahre später für fast 50 Millionen wiederverkauft. Die fertige Version der Basler Skizze zu «Les Demoiselles d'Avignon» befindet sich heute im Museum of Modern Art in New York und gilt als eines der berühmtesten Werke des berühmtesten Künstlers überhaupt. Dessen Wert ist in Zahlen kaum auszudrücken.

Viele der für die Ausstellung geliehenen Werke sind in den Museen, in denen sie zu Hause sind, die absoluten Publikumsmagnete, wie auch einige der Werke, die aus der Sammlung des Kunstmuseum Basel stammen. Dass «Der frühe Picasso» absolut hochkarätig wird, daran besteht also kein Zweifel. Der gewaltige Aufwand rechnet sich, wenn nicht nur die Gunst des Publikums gewonnen werden kann, sondern auch die Leihgeber und Sammler einen Gewinn darin sehen. Viele der Sammler, Vertreter der Leihinstitutionen und andere Personen, die mit den Gemälden in der Ausstellung in direkter Verbindung stehen, sind gerade in dieser Woche in Basel. Im Museumsshop sind zufällig gerade Editionen von Jeff Koons Ballonfiguren für CHF 17'000 das Stück zu erstehen. Der Ausdruck «Wahlkampfveranstaltung» ist vielleicht etwas grob gewählt, dürfte aber ein Körnchen Wahrheit enthalten. Uns kann dies egal sein, schliesslich haben wir so bereits für den Februar einen sicheren Wert im Kalender.

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