Foto: Polizei Baselland
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  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Kopfgeld für Tankstellenräuber: Niemand weiss, ob es hilft

Zum zweiten Mal wurde nach dem Tankstellenraub in Pratteln dieses Jahr in der Region Basel eine Belohnung für Hinweise nach einem Kapitalverbrechen eingesetzt. Wie viel das Kopfgeld nützt, weiss niemand so genau.

Es war noch nicht Mitternacht. Yasmin Yelocagi arbeitete an der Tankstelle. Die Mutter zweier Kinder half im familieneigenen Betrieb eigentlich nur aus. Auf dem Überwachungsvideo der Tankstelle war eine dunkle Person mit einer hellen Maske zu sehen gewesen. Wenige Minuten später war die 28-jährige tot. Umgebracht durch mehrere Stiche. Die Zürcher Polizei stellte ein Küchenmesser als Tatwaffe sicher. Trotz Sonderkommission und trotz dem Einsatz von Profilern blieb der Fall ungelöst. Schliesslich setzte der Ehemann von Yasmin Yelocagi im Seefeld-Mord eine Belohnung von 100'000 Franken für ermittlungsrelevante Hinweise aus. Also Tipps, die die Kriminalpolizei auf die Spur des Täters führen können. Dies war das höchste Kopfgeld, das in der Schweiz je ausgesetzt worden war. Der Täter wurde bis heute nicht erwischt.

Brandstiftungen und Tierquälereien

Nach einer Serie von Brandstiftungen in Riehen setzte 2010 eine private Gruppe rund um den heutigen Gemeindepräsidenten Hansjörg Wilde eine Belohnung von 40'000 Franken aus. Rekord in der Region. Auch dieser Täter wurde nie gefasst. Die Serie riss einfach ab. Das höchste Kopfgeld im Baselbiet betrug 26'000 Franken nach einer Serie von Tierquälereien im Jahre 2005. Am vergangenen Freitag gegen elf Uhr überfiel ein maskierter Unbekannter einen Tankstellenshop in Pratteln. Mit vorgehaltener Faustfeuerwaffe zwang er die Verkäuferin zur Herausgabe von einigen hundert Franken. Noch am gleichen Abend setzte die Baselbieter Polizei eine Belohnung von 2'000 Franken für «Hinweise die zur Ermittlung der Täterschaft» führen aus. Der Mediensprecher der Baselbieter Polizei Adrian Gaugler sagt auf die Frage von barfi.ch nach dem Grund für das Kopfgeld: «Wesentliche Kriterien dafür sind die Schwere eines Falles sowie die Dringlichkeit und Wichtigkeit, mit der die Untersuchungsbehörden zur Aufklärung einer Tat Informationen von Augenzeugen oder anderen Wissensträgern benötigen.» Unterdessen veröffentlichten die Baselbieter zusätzlich ein Video, das zeigt, wie der Täter auf die Tankstelle zu geht.

Im Februar hatte die Baselbieter Polizei erstmals eine Belohnung ausgesetzt. Nach einem Raub vor einem Bankomaten als ein maskierter Täter eine Frau körperlich bedrohte und zur Herausgabe ihres Geldes zwang. Es sind schwere Delikte, Kapitalverbrechen, die die Polizei zum Kopfgeld greifen lassen. Im Kanton Basel-Stadt nutzt die Polizei das Aussetzen von Belohnungen noch zurückhaltender. Mediensprecher Peter Gill sagt auf Anfrage von barfi.ch: «Mittels Zeugenaufrufen wird die Bevölkerung regelmässig um Hinweise zur Täterschaft beziehungsweise zu einem Tathergang ersucht. Die Stawa setzt keine <Kopfgelder> aus.» Allerdings könne man bei schwerwiegenden Delikten Belohnungen aussetzen, wie es in der Strafprozessordnung im zweiten Absatz von Artikel 211 vorgesehen sei. 

Kein fixes Budget

Weder in der Stadt noch auf dem Land gibt es ein fixes Budget für Kopfgelder. So sagt Adrian Gaugler: «Die Polizei Basel-Landschaft hält für solche Massnahmen kein jährliches Budget bereit. Solche Ereignisse und die daraus resultierenden Massnahmen sind unplanbar und folglich nicht budgetierbar.» Die Höhe des ausgesetzten Betrages werde vom «diensthabenden Kommandopikett» situativ festgelegt. In der Stadt dagegen würden nachträglich vereinzelt «Beiträge» an Personen ausgerichtet, wie Peter Gill erklärt: «Was hingegen die Stawa im Einzelfall praktiziert, ist die Auszahlung eines Beitrages an Personen, welche sich anlässlich einer schweren Straftat speziell für ein Opfer eingesetzt haben, beziehungsweise dazu beigetragen haben, dass eine mutmassliche Täterschaft festgenommen oder ermittelt werden konnte.»

Im Baselbiet könne man aus Gründen des «Informantenschutzes» nicht sagen, wie viele solcher Gelder im Jahr ausbezahlt würden, meint Adrian Gaugler. Vom Tagesanzeiger auf die Effektivität von Kopfgeldern angesprochen, meint etwa der emeritierte Strafrechtsprofessor Martin Kilias, dass zur Wirkung von Belohnungen nichts bekannt sei. Dem Tagesanzeiger gegenüber meint er noch, dass er auch nicht wisse, wie man das messen solle. Ein Indikator sind vielleicht die Aufrufe in der Sendung Aktenzeichen XY: Hier melden sich vor allem Hellseher und Hobby-Privatdetektive. Was für die Ermittlungen nicht immer besonders dienlich ist. So weiss am Ende niemand genau, ob die Aussicht auf eine Belohnung wirklich hilft, Kapitalverbrechen aufzuklären.

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