Nur zu oft Schwarzarbeit: Sans-Papiers stehen in Basel immer noch am Rand der Gesellschaft. ©unsplash.com
Nur zu oft Schwarzarbeit: Sans-Papiers stehen in Basel immer noch am Rand der Gesellschaft. ©unsplash.com
  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Sans-Papiers: Weltoffenes Basel steht noch auf der Bremse

Sans-Papiers, also Menschen ohne geregelten Aufenthaltstatus, sind der blinde Fleck unserer Gesellschaft. Der Handlungsbedarf ist enorm, das zeigt Genfer Vorzeigeprojekt «Papyrus». Jetzt wacht auch Basel auf: Die Regierung soll sich den Fragen dazu stellen, heisst es aus dem Grossen Rat.

«Sans-Papiers» bedeutet nicht, dass jemand überhaupt über keine Papiere verfügt. Es ist tatsächlich möglich, eine Arbeit, eine Wohnung und eine AHV-Nummer zu haben und dennoch illegal hier zu sein. Für den Staat bedeutet das: Er hat keine Kontrolle über einen Teil der Bevölkerung. Für die Betroffenen heisst es: Leben am Rande der Gesellschaft. Sans-Papiers stehen in ständiger Angst, entdeckt zu werden, was automatisch ein strafrechtliches Verfahren nach sich zieht.

Einzige Hoffnung: Die Härtefallregelung des Asylgesetzes. Die Chancen sind aber so gering, dass sich kaum jemand getraut, so einen Antrag zu stellen. Sans-Papiers sind deswegen leichte Opfer von Ausnützung, Schwarzarbeit und Lohndumping. Wo sollten sie sich beschweren?

Arbeitstätig und doch illegal: Realität für viele Sans Papiers. Symbolbild: Keystone

Genf preschte erfolgreich vor

Mit gewöhnlichen Mitteln lässt sich Papierlosigkeit weder verhindern noch eindämmen, mehr noch: eine härtere Asypolitik kann das Problem sogar noch verschärfen, wie der Bericht des Bundes in der Botschaft zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative festhält.

Die Stadt Genf versuchte in einem zweijährigen Pilotprojekt namens «Papyrus» Hürden zu mindern. Besonders auf die Eindämmung von Schwarzarbeit hat es die Operation abgesehen, sie richtete sich aber explizit auch gegen herrschende Doppelmoral. Die Bedingungen zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung waren im Rahmen von «Papyrus» zwar höher angesetzt als die gesetzlichen Bestimmungen, wie sie das Asylrecht vorsieht, doch die Aktion wurde ein voller Erfolg, vermeldet der Bericht vom Februar.

Transparenz und Klarheit für die Betroffenen waren die erklärten Hauptziele dieser Aktion. Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet ruft jetzt deshalb auch Basel und andere Schweizer Städte zum Handeln auf.

Bis jetzt nur Köpfe im Sand

Fabrice Mangold, Mediensprecher der Anlaufstelle für Sans-Papiers in Basel, bestätigt den Handlungsbedarf und hofft, dass das Genfer Projekt Vorbildcharakter erlangt. «Die Praxis im Kanton ist sehr restriktiv», kritisiert die Anlaufstelle nicht zum ersten Mal.

Allerdings gäbe es auch Unterschiede zwischen den Städten: «In Basel sind die Grundvorraussetzungen sehr anders. Es mangelt an der gesellschaftlichen Bereitschaft, die Realität zu sehen und anzuerkennen. Leider ist eine deutliche Ablehnungshaltung spürbar». Zum Vergleich: Gerade mal vier Fälle schafften es letztes Jahr zumindest in die Zweitbegutachtung des Bundes, davon wurden drei bewilligt. Das kantonale Amt wird selbst kaum aktiv, die Last liegt bei der Beratungsstelle.

Zwar seien gewisse Fortschritte zu verzeichnen, doch es fehle «einfach an der Transparenz, wie sie in Genf angewandt wurde,» so Mangold. Von alleine werde sich die Situation nicht lösen, sondern bloss verschärfen. Dies ist besonders beschämend, da darunter unzählige Menschen sind, die seit Jahrzehnten in der Schweiz leben und arbeiten, und zwar mit einem einwandfreien Leumund. Eine simple Parkbusse könnte für sie aber bereits das Aus bedeuten.

Anstehen für Klarheit: Ein Informationsanlass der Aktion «Papyrus». Bild: Keystone

Basel hinkt deutlich hinterher

Und dem könnten nun auch wirklich Taten zu folgen: BastA!-Grossrätin Tonja Zürcher zumindest eine Interpellation zum Thema eingereicht. Sie fordert, dass Migrationsamt und Sicherheitsdepartement früheren Verbesserungsversprechen endlich auch konkrete Massnahmen folgen lassen. Mit zehn Fragen will sie den Ämtern auf den Zahn fühlen, darunter: «Wie funktioniert eine Prüfung eines Härtefallgesuchs?». Bei der Transparenz scheinen tatsächlich noch grössere Lücken zu bestehen.

Zürcher stützt sich in ihrem Schreiben unter anderem auf das Projekt «Papyrus» aus Genf und die Forderungen der Kampagne Nicht ohne unsere Freund*innen!: «In einer weltoffenen und sozialen Stadt Basel sollten diese schon längst umgesetzt sein». Das Problem mit der Transparenz zeigt sich daran, dass das Amt für Migration in den vergangenen Jahren praktisch alle Gesuche zuerst abgelehnt, die Härtefallkommission diese dann in zweiter Instanz wiederum praktisch alle zur Annahme empfohlen hatte. Beide Institutionen fällen ihre Urteile aber aufgrund derselben Faktenlage.

Unabhängig von der Asylpolitik und dessen Reglementen muss eine moderne Gesellschaft daran interessiert sein, dass keine Menschen unsichtbar sind und dass sie zumindest die Chance auf gesetzliche Klarheit erhalten. Genf hat den Schritt gewagt, Basel – die selbsterklärte weltoffene Stadt am Rheinknie – hinkt noch massiv hinterher.