Helen Christina Slawik in einem der beiden Räume ihres Schlaflabors. Bild: B. Heeb
Helen Christina Slawik in einem der beiden Räume ihres Schlaflabors. Bild: B. Heeb
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Schlafmangel, die gefährliche Volkskrankheit: Das Interview im Basler Schlaflabor

Sommerzeit hin oder her: Der Mensch verschläft fast ein Drittel seiner Lebenszeit. Zur Wiederherstellung der physischen und psychischen Kräfte und für eine gute Lebensqualität ist er sehr wichtig. Gemäss der letzten Gesundheitsbefragung des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2012 leidet in der Schweiz ungefähr jeder Vierte an Schlafstörungen. Und mal ehrlich: Wer hat dies nicht schon selber erlebt. Das hat ungesunde Folgen.

Die Folgen des Schlafmangels können vielfältig sein: Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, Konzentrationsprobleme, Übergewicht, frühzeitige Alterung, chronische Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Risiko für Herzerkrankungen. Ein grosses Problem ist die Abhängigkeit von Schlafmitteln, den sogenannten Benzodiazepinen, die in der Schweiz zu den Medikamenten mit der grössten Nachfrage zählen.

Barfi.ch hat sich mit Dr. med. Helen Christina Slawik, Psychiaterin und Schlafmedizinerin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel, zum Gespräch getroffen. Und zwar dort, wo sie seit 2013 arbeitet und seit November 2016 Leiterin ist: Im klinischen Schlaflabor.

Frau Slawik, gemäss dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport 2017leiden in Deutschland 80 Prozent unter Schlafstörungen. Die Gründe seien Druck im Beruf und Lärm. Wie sieht das in der Schweiz aus?

Dr. Helen Christina Slawik: Diese Zahlen stammen aus einer Umfrage bei den Mitgliedern einer deutschen Krankenkasse, der Deutsche Angestellten Krankenkasse. Gefragt wurde, ob Ein- oder Durchschlafstörungen vorliegen. Krankheitsrelevant ist aber die Tagesbeeinträchtigung. Im Alter ist es zum Beispiel durchaus so, dass man einen fraktionierteren Schlaf hat, also immer einmal wieder aufwacht, oder der Nachtschlaf nicht mehr allzu lang ist. Dafür holt man sich im Verlauf des Gesamttages durch ein nachmittägliches Nickerchen immer noch genügend Schlaf. Natürlich wird das nicht-kontinuierliche Schlafen beklagt, aber die entscheidende Frage ist, ob man am Tag erschöpfter, unkonzentrierter, müder oder weniger leistungsfähig ist. Die genannten 80 Prozent beziehen sich auf Ein- und Durchschlafstörungen ohne Berücksichtigung der Tagesbeeinträchtigung.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

Die aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik stammen aus dem Jahr 2012. Die Prävalenzzahlen gehen manchmal auch bis zu 50 Prozent, wenn man aber von einer krankheitsrelevanten Insomnie (Ein-, Durchschlafstörung oder Unerholsamkeit des Schlafes) mit Tagesbeeinträchtigung über einen längeren Zeitraum spricht, liegen die Zahlen meistens bei 10 Prozent. 

Weshalb braucht der Mensch überhaupt Schlaf?

Diese Frage lässt sich immer noch nicht beantworten. Das ist eines der grossen Faszinosa der Schlafmedizin. Wir schlafen, weil wir uns danach erholter fühlen, das ist die einfache Antwort. Es gibt homöostatische Gründe – das heisst Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts –, unter anderem wonach gewisse regenerative Prozesse im Schlaf stattfinden. Dann gibt es auch zirkadiane, also einer 24-Stunden-Rhythmik folgende Prozesse. Unter anderem betrifft das die Freisetzung bestimmter Hormone in der Nacht. Den ultimativen Beweis gibt es aber nicht, ausser dass man erkrankt, wenn der Schlaf experimentell unterbunden wird. 

Kann man generell sagen, wie viele Stunden Schlaf täglich eigentlich gesund sind?

Für den Durchschnittsbürger sind acht Stunden gut, aber so wie es Menschen gibt, die gross oder klein sind, gibt es eben auch Kurz- und Langschläfer. Dabei gilt es, die Tagesbeeinträchtigung zu beachten. Wenn jemand mit vier bis sechs Stunden Schlaf auskommt und sich erholt fühlt, schadet es sicher nicht. Umgekehrt verhält es sich beim Langschläfer, der einen Bedarf von zehn bis zwölf Stunden hat, um nicht krank zu werden.

Gibt es so etwas wie «überschlafen» oder zu viel schlafen?

Ja, es gibt auch ein «zu viel». Das liegt daran, dass der Schlaf dann nicht mehr so erholsam ist: Der Tiefschlaf findet zu Beginn der Nacht statt, gegen Ende schläft man nur noch oberflächlich oder man träumt. Der oberflächliche Schlaf ist nicht mehr so erholsam. Wichtig ist neben der Schlafmenge auch der Schlafzeitpunkt, den so genannte Eulen oder Lerchen beachten müssen. Der in der Schweiz übliche Werktagsrhythmus begünstigt Lerchen, und ist selbst für den Indifferenztyp noch etwas zu früh, da er meist Aufstehenszeiten um 6 Uhr erfordert. Für Eulen kann das geradezu krankmachend sein.

Wann spricht man von einer Schlafstörung?

Wenn eine Tagesbeeinträchtigung vorhanden ist.

Welche Arten von Schlafstörung gibt es?

Da gibt es die Gruppe der Insomnien. Hier ist der Schlaf nicht ausreichend oder nicht erholsam. Dann gibt es die schlafbezogene Atmungsstörungen, die vorwiegend bei Männern auftreten und sich in Atmungsaussetzern im Schlaf manifestieren. Oft wird das auch mit Übergewicht assoziiert und mit sedativen Substanzen, wie Alkohol oder Schlaftabletten. Dann gibt es die Hypersomnien: Diese und die schlafbezogene Atmungsstörung gehen mit Tagesschläfrigkeit einher, die gerade im Personenverkehr besonders relevant ist. Dann gibt es die Bewegungsstörungen im Schlaf, die etwa mit Beinbewegungen (Restless Legs) im Schlaf einhergehen. Es gibt auch Schlafrhythmusstörungen und schliesslich gibt es noch die Gruppe der Parasomnien: das sind Verhaltensauffälligkeiten im Schlaf. Dazu gehören in jüngeren Jahren bei Kindern und bei jungen Erwachsenen das Schlafwandeln, Schreien im Schlaf, Sprechen im Schlaf. Bei Älteren gibt es auch Verhaltensauffälligkeiten wie das Ausagieren von Träumen, was manchmal auch Vorbote einer neurodegenerativen Erkrankung, wie zum Beispiel Parkinson oder Demenz sein kann.

Was muss man sich unter ausagierten Träumen vorstellen?

Typischerweise träumen die Betroffenen von Angriffssituationen und verteidigen sich. Das kann sein: um sich kicken, abwehren oder auch «Geh weg!» rufen.

Das kann also auch den Partner betreffen, der neben einem schläft?

Genau.

Sind Männer und Frauen im gleichen Masse von Schlafstörungen betroffen?

Bei der Insomnie, also der Ein-, Durchschlafstörung oder Unerholsamkeit des Schlafes, gibt es ein Überwiegen des weiblichen Geschlechtes. Von der schlafbezogenen Atmungsstörung sind mehr Männer betroffen.

Sind ältere Menschen öfter davon betroffen?

Ja, weil der Schlaf im Alter nicht mehr kontinuierlich ist und mehr Regelmässigkeit erfordert. Der Jugendliche braucht weniger Schlaf und kann den auch meistens noch viel flexibler bekommen. Jungendliche können viel flexibler mit ihren Rhythmen umgehen. Dies führt oft zu Konflikten mit den Eltern. Wenn der Jugendliche spät ins Bett gehen möchte und die Eltern nicht wissen, woran sie sich orientieren sollen. 

Dann stimmt es also nicht, dass gerade der Jugendliche oder Kinder mehr Schlaf benötigen? 

Kinder brauchen viel Schlaf. Pubertierende oder Teenager hingegen brauchen eher weniger. Im Zusammenhang mit dem Appell in den Schulen, wonach der Unterricht später beginnen soll – was ich für sehr sinnvoll erachte –, habe ich auch Bedenken. Dann nämlich, wenn sich Jugendliche dafür bis nachts um Mitternacht oder 2 Uhr mit den Medien beschäftigen oder kontinuierlich am Handy sind, bedeutet das einen Schritt zurück.

Was wäre denn angezeigt?

Man müsste gleichzeitig dafür kämpfen, dass der Jugendliche ab 21 Uhr den Medienkonsum drastisch reduziert. Denn zum «Runterkommen» ist das Schafritual sehr wichtig. Dort braucht es eine gewisse Form der Entspannung. Wenn man sich aber mit aktivierenden Dingen beschäftigt, gelingt das nicht auf Knopfdruck. Zum anderen unterbindet das von den Bildschirmen ausgestrahlte Blaulicht das Schlafhormon Melatonin. Insofern wäre ich für spätere Schulzeiten mit gleichzeitiger Reduktion des Medienkonsums am Abend. 

Leiden heute mehr Menschen an Schlafstörungen als früher?

Dazu gibt es widersprüchliche Studien. 1977 schliefen in den USA 22 Prozent der Menschen zu kurz. 2009 waren es 29 Prozent. Die Tendenz der Studie zeigt, dass die Schlafenszeit kürzer wird. Demgegenüber gibt es aber auch Arbeiten, die das widerlegen. Generell zeigen viele Studien, dass zu kurzer Schlaf krankheitserzeugend ist. Gerade auch im Hinblick auf Herzinfarkt, Diabetes, Übergewicht. Dasselbe gilt auch für zu langen Schlaf. In breiten Bevölkerungsstudien wird bedingt durch das Studiendesign aber häufig nicht differenziert, ob Menschen kurz schlafen und trotzdem erholt sind, oder weil sie eine Insomnie haben. Gleich verhält es sich beim zu langen Schlaf. Das wird oft alles in einen Topf geworfen.

Ist es gesünder, am Stück zu schlafen?

Am gesündesten wäre ein zweizeitiger Schlaf: Am besten wäre es einmal in der Nacht einen langen Schlaf zu haben und mittags ein kurzes Nickerchen zu machen.

Wie lange sollte ein solches Nickerchen ausfallen?

Untersucht wurde, dass wenn man am Nachmittag länger als eine Stunde schläft, der Nachtschlaf nicht mehr so lang ist wie sonst. Wenn man das berücksichtigt und mittags eineinhalb Stunden schläft, braucht man nachts nur noch sechs bis sieben Stunden. Ältere Menschen machen oft ihr Nickerchen und denken, sie können dann in der Nacht noch einmal acht Stunden schlafen. Das funktioniert aber nicht. Man muss wissen, dass alles, was länger als eine Stunde dauert, Auswirkungen auf den Nachschlaf hat.

Und die Lösung für das Problem?

Wenn man nicht möchte, dass der Nachtschlaf durcheinandergerät, ist ein Powernap von einer halben Stunde zu empfehlen. In unserer Gesellschaft, wo alles auf Knopfdruck geschehen soll, gestaltet sich das schwierig. Asiaten, die in der Bahn, auf einer Parkbank und anderen Orten sitzend schlafen können, zeigen, dass der Powernap trainierbar ist. Dadurch, dass die Menschen durch den stressigen Alltag sehr angespannt sind, wirkt das Adrenalin ständig dem Schlafbedürfnis entgegen. Deswegen gelingt es uns im normalen beruflichen Alltag auch nicht so leicht.

Wie war das denn früher?

In den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als die Landbevölkerung noch keine Elektrizität hatte, schlief man noch zwölf Stunden am Tag. Teilweise schlief man damals auch in einem Zimmer, wobei einer schnarchte oder das kleine Kind schrie. Es war normal, dass man ständig gestört wurde und man schlief so immer wieder bis zu diesen zwölf Stunden. Heute gilt aber der Anspruch, dass auch der Schlaf effizient sein muss. Er sollte kontinuierlich und ohne Störung sein, was diesen eigentlich automatischen und selbstverständlich anzulaufenden Prozess des Schlafens konterkariert.

Dann stimmt es auch nicht, dass der Schlaf vor Mitternacht besser ist als der spätere Schlaf?

Da kommt es eben darauf an, welcher Schlaftyp man ist. Prinzipiell durchläuft der Mensch in der Nacht ungefähr sechs Schlafzyklen, die jeweils eineinhalb Stunden dauern. In die ersten zwei Zyklen fällt der Tiefschlaf. Dabei hat der Normalschläfer, der von 23 bis 7 schläft, von 23 bis 24 Uhr schon einmal eine Runde Tiefschlaf gehabt. Wer immer später ins Bett geht als seine innere Uhr es ihm sagt, also immer erst um 1 Uhr, bringt sich damit um eine oder zwei Tiefschlafphasen.

«Vorschlafen» kann man somit ebenfalls nicht?

Nein. Im Berufsalltag leidet man fast immer an einem Schlafdefizit. Damit, dass man ein paar Nächte erholter schläft, gewinnt man schon etwas.

Was sind die Folgen von Schlafmangel?

Auch da ist sich die Wissenschaft noch nicht ganz sicher. Bei Männern mit den schlafbezogenen Atmungsstörungen können sich kardiovaskuläre Erkrankungen häufen, die sich zum Beispiel in einer Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, Diabetes oder vielleicht auch einem Schlaganfall äussern. Insgesamt können Durchschlafstörungen, auch schlafbezogene Atmungsstörungen, zu psychischen Erkrankungen wie etwa einer Depression führen. Depression ist in der eingangs erwähnten Umfrage neben Rückenschmerzen eine der häufigsten Ursachen für Krankheitsfehltage. Schlafstörungen können diese begünstigen oder einziges Symptom einer unerkannten Depression sein. Ob der Schlafmangel tatsächlich auch zu Herzinfarkt oder Bluthochdruck führt, ist immer wieder umstritten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Krankheitsfehltage durch Insomnie gering sind. Der Patient leidet zwar sehr, schafft es aber immer noch seine Sachen zu bewerkstelligen. Deshalb ist es wahrscheinlich auch oft untertherapiert und führt nicht zu Krankheitsausfällen.

Wann sollte man konkret einen Arzt aufsuchen?

Wenn eine Tagesbeeinträchtigung vorliegt. Diese ist gut behandelbar. Die Gefahr ist, dass man sich dahinschleppt, oder dass man Schlafmittel nimmt, die zwar kurzfristig helfen, aber längerfristig das Problem verstärken, weil sie zu Abhängigkeit führen. Auch eine Selbstmedikation mit Alkohol zerstört langfristig das Schlafzentrum, da man keinen Tiefschlaf mehr hat.

Sollte man also effektiv auch auf das Gläschen Wein oder ein kleines Bier verzichten?

Richtig. Sie werden sicher Leute finden, die das so machen, ein Leben lang so gemacht haben und keine Beeinträchtigungen haben. Aber die Gefahr ist gerade bei einer Durchschlafstörung gross, dass es mehr wird und in eine gewisse Abhängigkeit führt. Alkohol hilft zwar beim Einschlafen, führt aber zu Durchschlafstörungen 

Welche Tipps gibt es für einen guten Schlaf?

  • Wichtig ist ein Schlafritual rund um eine entspannte Abendsituation.
  • Keine belastenden oder aufreibenden Gespräche am Abend.
  • Sport ist zwar sehr wichtig für den seelischen Ausgleich, aber nicht zu nah an den Bettzeiten. Am besten nicht nach 20 Uhr.
  • Keine grossen Mahlzeiten in den späten Abendstunden.
  • Die Schlafumgebung sollte ruhig, das Schlafzimmer kein Arbeitszimmer sein.
  • Die Raumtemperatur und die Ausleuchtung sind auch ganz wichtige Aspekte. Nicht zu warm und möglichst dunkel.
  • Der Bettpartner (Schnarcher) kann einerseits zu einer grossen Entspannung führen, nur ist es oft auch so, dass die Partnerschaft den Schlaf vor eine grosse Zerreissprobe stellt, wenn unterschiedliche Schlafrhythmen existieren oder unterschiedliche Schlafgewohnheiten. Getrennte Schlafzimmer könnten eine Lösung sein.
  • Viele lesen auch zum Einschlafen oder schauen fern und dämmern dabei weg. Gerade bei Personen mit Einschlafschwierigkeiten kann das ein kleiner Trick sein, um neben dem Lesen nicht das Gedankenkino anzuschmeissen. Bei Menschen mit einer Schlafstörung, empfiehlt man jedoch, an einem anderen Ort zu lesen oder fernzusehen.
  • Die Bettzeiten sollten regelmässig sein und auch am Wochenende nicht zu stark abweichen.
  • Koffein und Alkohol sollten nur in Massen konsumiert werden.

Wie viele Patienten mit Schlafstörungen betreuen Sie? Und was wird an den UPK gemacht? 

An den UPK haben wir sehr viele stationäre Patienten mit diversen psychiatrischen Erkrankungen. Zu uns ins Schlaflabor kommen Patienten mit chronischer Insomnie, bei denen die Schlafstörung mindestens drei Monate andauert. Oder mit unerklärlicher Unerholsamkeit des Schlafes. Die Schlafstörung per se führt fast nie zu einer psychiatrischen Hospitalisation. Es ist eine ambulant behandelbare Erkrankung.

Wer führt das alles durch?

Jedes akkreditierte schlafmedizinische Zentrum in der Schweiz ist ein Verbund aus Lungenfachärzten, Neurologen und Psychiatern. Ein Teil – die schlafbezogenen Atmungsstörungen – wird im Universitätsspital Basel von den Lungenfachärzten behandelt. Im dortigen Schlaflabor gibt es viermal mehr Patienten als bei uns, da die schlafbezogene Atmungsstörung immer im Schlaflabor abgeklärt und behandelt werden muss. In den UPK liegt der Schwerpunkt auf Patienten, die unter Insomnie, Unerholsamkeit des Schlafes, zirkadianen Rhythmusstörungen oder Parasomnien leiden. Hier ist die Schlaflaboruntersuchung im wesentlichen zur organischen Ausschlussdiagnostik wichtig. Ambulante Patienten, Patienten die eine Psychotherapie machen oder die Medikationen behandeln die niedergelassenen Kollegen. Da ist es natürlich so, dass die wenigsten eine Ausbildung zum Schlafmediziner haben.

Was wird im Schlaflabor genau gemacht?

Zunächst wird eine ausführliche Anamnese erstellt. Der Patient füllt Fragebögen aus, die zum Beispiel den Chronotyp – ob Lerche oder Eule – und die Schlafgewohnheiten bestimmen. Letztere werden mittels über zwei Wochen geführtem Schlafprotokoll erhoben. Es wird abgeklärt, ob ein organischer Befund oder ein psychiatrisches Problem vorliegt. In der Regel wird zu Handen des niedergelassenen Kollegen eine Empfehlung abgegeben.

Was passiert bei Ihnen im Labor?

In unseren beiden Schlaflabors erstellen wir eine organische Ausschlussdiagnostik, mittels der zum Beispiel schlafbezogene Atmungsstörungen oder motorische Störungen im Schlaf festgestellt werden. Ausserdem ist die Rückmeldung an den Betroffenen wichtig, ob er auch objektiv so schlecht schläft. Hinsichtlich der Therapiebedürftigkeit entscheidend ist aber das subjektive Empfinden, weil die Tagesbeeinträchtigung existiert. Als Therapieprozess ist es für die Betroffenen trotzdem hilfreich oder auch erleichternd, weil die subjektive Einschätzung oft deutlich schlechter ist als der objektive Befund.

Dr. med. Helen Christina Slawik bei der Auswertung einer Tabelle eines Schlaflaborpatienten.

Das Thema «Schlafstörung» ist sehr umfassend. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Der individuelle Schlafbedarf und das individuelle Schlaf-Fenster ist bei den wenigsten Menschen ausreichend lange und führt zu Tagesbeeinträchtigung. Der Schlaf ist so etwas wie die letzte Wiese in der heutigen Welt, die von Effizienzsteigerung dominiert wird. Wenn wir dem Schlaf nicht genügend Raum lassen, wird es irgendwann einmal knapp. Schon heute gibt es Apps zur Schlafanalyse. Meine Bedenken dabei sind, dass die wiederum auf diese Effizienzsteigerung ausgelegt sind. Das Schlimmste für die Schlafstörung ist ja, dass man sich zu sehr damit beschäftigt.

Zum Schluss: Würden Sie dafür plädieren, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden einen Raum zur Verfügung stellen, wo man sich zurückziehen kann, um bei Bedarf etwas zu schlafen?

Ja, das wäre auf jeden Fall förderlich.