Beliebtes Modell für schöne Schreibstätten: Die Schreibmaschine, hier eine hübsche Olivetti Lettera 32. ©unsplash
Beliebtes Modell für schöne Schreibstätten: Die Schreibmaschine, hier eine hübsche Olivetti Lettera 32. ©unsplash
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Die Schreibmaschine ist wieder da – doch Basel muss trauern

Ob pure Romantik oder kreativer Katalysator: Der Mythos Schreibmaschine lebt. Bloss wohin mit den ramponierten Maschinen aus der Brocki? Basel trauert um seinen zuverlässigsten Mechaniker und die hartgesottene Autorengilde muss jetzt stark bleiben.

Schreiben am Computer, das sei wie mit Schlittschuhen auf einer Eisfläche laufen: glatt, schnell, oberflächlich und ohne erkennbare Befriedigung. Schreiben an der Schreibmaschine hingegen: Ein Waten durch den Sumpf, ein knöcheltiefer, kräftezehrender, sich Worte abringender Kampf der Physis. Das sagte Charles Bukowski und er musste es wissen, denn er schrieb so schliesslich mehrere Romane, mit fleischigen Fingern und kräftigen Unterarmen.

Die Schreibmaschine spürt den zweiten Frühling, umso mehr dank den Hipstern, die sowieso auf alles Handgemachte mit Vintage-Etikett stehen. Aber nicht nur wer modisch ist, fährt auf die brachiale Mechanik, das Klackern und den harten Hammerschlag der Typen auf Papier ab, auch Jungschriftsteller üben sich an Tasten aus Bakelit und Stahl. Überhaupt ist der körperliche Akt des Anbringens von Buchstaben auf fühlbarem Papier die Gegenbewegung zum virtuellen Schreibdurchfall, wo E-Mails und Kurznachrichten so schnell gelöscht wie gedankenlos verfasst und verschickt sind.

Hermes Baby! Ach was, Olivetti Lettera! Nein: Olympia.

Der Autor schreibt – auf der Olympia von Werner Holderegger. Bild A. Schwald

Kürzlich also an irgendeinem Kunstkonzeptevent, die Hipsterdichte war gross, und überall standen Modelle von Hermes und Triumph und Olympia auf hölzernen Tischen oder vor geweisselten Wänden. Die unvermeidliche Reiseschreibmaschine Hermes Baby war natürlich auch da, verewigt von Max Frisch in «Homo Faber», benutzt von Niklaus Meienberg, John Steinbeck, aber auch von Ho Chi Minh gibt es ein Bild, wie er vor der kleinen Praktischen aus Schweizer Werkstätten posiert. Die Hermes waren neben den Maschinen von Olivetti die sexy MacBooks von früher, Designobjekte mit hohem Anspruch an Präzision und Stil.

Nur: Die meisten Maschinen sind heute weitgehend defekt. Hergestellt werden sie sowieso nicht mehr, die meisten Schreiber erstehen sie im Internet oder in der Brocki, oft mit grösseren Standschäden oder sonstwie ramponiert und eingedellt. So auch am Hipsterevent: man tauscht sich aus, fragt rum, versucht, fachzusimpeln, aber am Schluss weiss doch keiner, wie man die defekte Schiene unter dem Walzenwagen wieder hinkriegt oder das lästige Klemmen der Taste 8 behebt. Andererseits: Wer braucht schon die 8, das ist also das kleinere Übel, wenn man vor einem Mercedes mit gebrochener Radachse steht.

Adieu, Herr Holderegger

Reparatur und Wartung sind ebenso selten geworden wie fabrikneue Maschinen. Ausgerechnet Basel hatte bis vor Kurzem noch eine Auswahl an Schreibmaschinenmechanikern. Mit Werner Holderegger ist vor Kurzem einer der ganz Grossen gestorben, einer, der bis zum Schluss noch sein eigenes Ladengeschäft führte, im Quartier St. Johann, wo die Maschinen standen, wo es nach Maschinenöl und Filterzigaretten roch, hier und da auch eine Registrierkasse – denn Registrierkassenmechaniker war er auch, worauf er stets mit Stolz verwies – und auf der Theke ein kristallener Aschenbecher. Charles Bukowski hätte sich zu Hause gefühlt, wäre er nicht auch schon lange tot, dafür gehörte Krimiautor Hansjörg Schneider zu den Stammkunden, denn Schneider schreibt seinen Hunkeler ausschliesslich mechanisch.

Werner Holderegger also flickte die Maschinen nicht, er reparierte sie, das ist ein Unterschied. Während jeder einigermassen fähige Mechaniker imstande ist, etwas zusammenzusetzen, so war es bei Holderegger das gelernte Handwerk, das er pflegte, er schwärmte von den Maschinen, am liebsten waren ihm die Modelle der Firma Hermes, auch die, die zuletzt in Brasilien hergestellt wurden. Nach Brasilien hatten sie ihn auch mal geschickt, es gefiel ihm schon, aber er wollte zurück, schliesslich fand er im Santihans den Ort, wo er seine zwei Berufe – denn Registrierkassenmechaniker, und das sei betont, wie er es immer betonte, war sein zweiter Beruf – bis zum Ende ausüben konnte.

Die Geschichte von der plombierten Schönheit

Die fabrikneue Hermes Baby. Bild A. Schwald

Jetzt ist Werner Holderegger nicht mehr und viele hätten die antike Corona gerne geerbt, die hinter der Theke in der Auslage stand und die er gehütet hatte wie einen Schatz. Er verkaufte nicht blindlings die Maschinen, die ihm zugetragen wurden, er fragte seine Kunden gerne über deren Verwendungszweck aus; schliesslich wäre es zu schade um die perfekt gewarteten Maschinen gewesen, wären sie nur ein Kinderspielzeug geworden.

So bleibt den Liebhabern noch der Gang an die Güterstrasse, wo die Firma F. Rüegg ihren Sitz hat, sie verkauft und repariert Maschinen auch heute noch. Kein besonders einträgliches Geschäft, aber ein nützlicher Service, nicht nur für Gelegenheits-Hipster und Literaturromantiker, sondern auch für die Menschen, die heute noch Formulare, Briefe, Schriftstücke exklusiv auf Schreibmaschine aufsetzen. Ab und zu landen auch Perlen bei der Firma: So durfte der Schreibende dort einst eine fabrikneue Hermes Baby aus den 1970er-Jahren erstehen. Sie war noch mit Herstellersiegel und Typenschutz aus Karton versehen. Das steigerte ihren Wert im Wiederverkauf deutlich, aber das schiere Vergnügen an der Entjungferung der Maschine überwog bei Weitem.

Das war kein Rumtippsen, das war richtiges Hantieren

Wer hingegen täglich auf einer Schreibmaschine arbeiten musste, sie vielleicht sogar mitschleppte, sattelte mit Freuden auf die ersten Laptops um; sie waren schneller und praktischer als die klackernden Maschinen, die eigentlich nur eines konnten: Worte auf Papier bringen. Schluss mit Schere und Papierleim, mit Fitzelchen kleben, Abtippen und Setzen: Das Arbeiten damit war beschwerlich, umständlich, laut. Selbst mit den später eingeführten Löschtasten. Oder setzen Sie sich mal mit einer Schreibmaschine ins Café mit Internet.

Damit wird die Maschine zurückgeworfen auf ihr eigentliches Selbst: Das physische Erfassen von Worten in ausgesuchter Reihenfolge. Ein Waten durch Matsch, Schlamm, knietief, in den Sümpfen Louisanas, durch die Tundra Nordrusslands oder einfach durch die zähe Arbeit am eigenen Tisch. Auch wenn dann nicht mehr als lustvolles Getippe, vielleicht der eine oder andere archaische Brief herausschaut – oder am Schluss, nach unendlich viel Waten, Schweiss und Verzweiflung sogar ein erstes kreatives Manuskript –, so tief bleibt die Erkenntnis: Ich habe geschaffen – und nicht gelöscht.

Worauf würde Hemingway heute schreiben?