Sacrebleu: d Schnooggekerzli
Sacrebleu: d Schnooggekerzli
  • Christian Platz (Text und Bild)
  • Aktualisiert am

Drummeli 2017: s fägt und s ruesst und s sprängt dr Raame

Die Hälfte der Stamm-Cliquen, zwei Gugge, zwei Schnitzelbängg und ein fantastisches Raame-Ensemble lassen uns das eher schwächliche letztjährige Monstre vergessen. s Drummeli 2017 ist rasant, witzig und – allergrösstenteils – aifach s Maximum. 

Stark, sackstark

Wir wollen es gleich vorwegnehmen: d Raamestiggli sind stark, sackstark. Das Ensemble und Regisseur Laurent Gröflin haben ganze Arbeit geleistet, das ist Basler Fasnachtshumor für das Jahr 2017. Der grossen Tradition verpflichtet, aber gleichzeitig stinkfrech und nicht ein bisschen angestaubt. So soll das sein. Auch der Gesamtablauf der Monstre-Produktion ist straff, keine Längen, keine Durchhänger. Chapeau!

Eine alte Fasnächtlerin drückt auf den Startknopf

Die Vorstellung beginnt mit einem Knopfdruck. Der gelbe Kasten – mit dem grossen roten Knopf drauf – steht vor dem Vorhang auf der Bühne des Musical Theaters. Eine alte Frau Fasnacht drückt auf den Startknopf. Es ist tatsächlich die alte Fasnächtlerin, die schon am Rümelinsplatz den Werbeknopf fürs Drummeli gedrückt hat. Vorhang auf, der Spass beginnt. Jetzt tritt nämlich jene andere grosse alte Dame auf, s Drummeli, Mutter aller Basler Vorfasnachtsveranstaltungen. 

Prolog.

dr Dummpeter rappt

Mit sonorer Stimme hebt dr Dummpeter auf der Bühne zum Prolog an, flankiert von einem Pfeifer und einem Tambour, das klingt zunächst nach altehrwürdigem Basler Fasnachtsschmelz. Doch nach den ersten Reimen wird aus gemessener Poesie plötzlich fröhlicher Dialekt-Rap. Im Fasnachtsrhythmus vorgetragen, zu Kübel und Piccolo, frisch und frech, so darf man das heute machen, so muss man das heute machen. Ein Auftakt nach Mass. Und schon entert d Gundeli die Bühne, eine Rasselbande wunderschöner Ueli, gibt einen lupenreinen «Hofnarr» zum Besten. Der Grundstein für einen vergnüglichen Abend ist gelegt.

Die Glaine Opti-mischte.

Käferschuel

Allerliebst ist der Auftritt der Glaine Opti-mischte, die dieses Jahr ihren Fünfzigsten feiern. Sie entführen uns in die Insektenwelt, pfeifen und trommeln zwischen Gräsern und Blättern, mit Fühlern und Flügeln ausgestattet. «Knock, Knock it’s a Bug» heisst das Stück, aus der alten Drummelschuel machen sie kurzerhand eine Käferschuel, eine liebenswerte, originelle Lösung. Das erste Raamestiggli bringt uns das bürgerliche Vierer-Ticket als Polit-Boygroup beim Rhyschwumm, das sieht zum Schreien komisch aus, die Pointen knallen frisch und frech ins Publikum. Das Quartett sucht für die Wahlen 2020 einen neuen Slogan – und dabei werden die schwimmenden Boys immer fieser, sagt Cramer zu Nägelin: «Loränz, au d Sanität ka dä nimm rette...»

Junteressli.

Well done!

Elegant, ästhetisch, abstrakt der Auftritt der Junteressli – sie geben «d Vergaeschlemer»; das Spiel agiert hinter Leinwänden, an denen weisse Larven hängen. Auf der Leinwand entwickeln sich schwarz-weisse Zeichnungen, ein surrealer Bilderbogen, da ist viel Mut zu Experimenten mit Bild und Klang zu spüren. Wir schätzen das! d Spezi bringt (echt baslerische) irisch-schottische Pub-Stimmung in den Saal, ihr «Scotish Irish Dance» kommt geschliffen daher, eine runde Sache. Well done!

Baden und Hueber.

Badeen und Hueber.

Hypochondria

Vorhang auf für die beiden Damen des Raame-Ensemble. d Frä Dääge ist ein Hypochonder, von einer Ärztin hätte sie gerne eine zweite Meinung zu ihren unzähligen Bobos eingeholt. Frau Doktor wird von ihrer Patientin zur Verzweiflung getrieben, denn die hat exzessiv Dr. Google befragt und weiss alles besser. Frä Dääge: «Aber was isch mit däm Bolle woni do spüür?» Frau Doktor: «Das isch kai Bolle, das isch doch ir Härz!»

Basler Dybli

Vogelfänger und Walgesänge

d Basler Dybli schlüpfen dieses Jahr ins Papageno-Kostüm, aus Dybli werden also Vogelfänger, ein pikanter Rollenwechsel fürwahr. Ihren «Papageno» pfeifen sie brillant, ja so macht man das am Rheinknie, heissa-hoppsassa! Walgesänge künden den Auftritt der Schnurebegge an, denn sie bringen uns «dr Feschti Wal», entführen uns in die Unterwasserwelt, mit herrlichen Klängen und dem wohl sympathischsten Tambourmajor des Abends (Jöööööh).

Anneli und Hansli.

Anneli und Hansli

Huet, Stogg, Räägeschirm

Folgt Bangg Nummer Eins. Anneli und Hansli, drei rotzfreche Schulkinder. Und statt einem Helgenbaum haben sie eine Wandtafel mitgebracht. Mit «e Huet, e Stogg, e Räägeschirm» räumen sie am Schluss gnadenlos ab, ein altes Värsli eben, in einer ganz und gar eigenwilligen Version. Schon begegnen wir den Basler Rolli, sie haben den verschneiten Spalebuggel als Sujet gewählt und zelebrieren ein Skirennen. Mit dem Pfeifersolo «Spalebärg», welches sie grandios ausführen.

Wettstai.

Blaue Stunde

Optisch und musikalisch bieten sie einen der Höhepunkte des Abends: d Schnoogekerzli zelebrieren «d Naarebaschody in Blue». Sacrebleu, sieht das gut aus, auch klanglich stimmt hier einfach alles. Fasnacht unter dem «Blue Moon» – und erst noch zur blauen Stunde. Mit em Drämmli fährt d Wettstai auf die Bretter, die heute einfach nur Basel bedeuten. Es geht über die Grenze, am Zoll vorbei – und mit einer tüchtigen Ladung Schmuggelware zurück. Dazu ein rasant gespielter Basler Marsch. Ach, wenn doch nur dr Achter amme auch so rasant unterwegs wäre.

Spale.

Liebe in der Luft und zurück ins 1927

Fliegende Guggemusigg, d Läggerli-Hagger zelebrieren die Luftfahrt in Bild und Ton. Zudem haben sie uns ein klangmächtiges Akkordeon-Geschwader mitgebracht. Das lassen wir uns gerne gefallen. «Love is in the Air» schränzen sie mit Gusteau. Prima. Dann ein weiterer Höhepunkt für Aug und Ohr. d Spale stellt einen Nightclub auf die Bühne, einen aus den goldenen Zwanzigern, genauer aus ihrem Gründungsjahr 1927. Für diesen Geburi-Auftritt haben sie sich mit der «Cantina Band» zusammengetan. Das sieht grandios aus, das hat Stil und beinahe schon einen Schuss Erotik. Ganz toll gepfiffen und getrommelt, mit Finesse und Swing. Gratulation!

Waggis-Explosion.

Politisch korrekte Waggis

Dann kommt die Balkonszene. Und die ist der Hammer. Der Balkon wird zu einem Waggiswagen. d Santihans-Waggis wollen gerade mit dem guten alten Stopfen und Intrigieren loslegen. Da tritt plötzlich eine strenge Frau Doktor aus dem grossen Kanton auf die Bühne. Sie zwingt den Buben einen UNESCO-Katalog auf, der sie zur Political Correctness erziehen soll. Sonst sei dann nix mit dem Eintrag ins Welterbe. Die Waggis geben sich redlich Mühe, die Geschichte wird absurder und absurder. Am Schluss rennt dann plötzlich eine ganze Horde Waggis auf die Bühne, in den Zuschauerraum – und begleitet das Publikum sogar in die Pause. Eine der besten und frechsten Drummeli-Szenen der letzten Jahre!  

Sans Gêne.

Wortwitz und gepflegte Fasnachtsmusik

Die zweite Hälfte beginnt mit einem kurzen wortwitzigen Raame, zwei Herren warten auf den Dreier, sie wollen ins Elsass, das es ja nicht mehr gibt, weil es sich in der Region Grand Est aufgelöst hat. Schon steht d Sans Gêne vor uns, das Spalentor im Rücken, in Schwarz-Weiss bringen sie uns einen fein geputzten und gestrählten «Elfer»; wunderbar. Folgt der Auftritt der J.B. Santihans – im Charivari geben sie den «Hanswurscht». Das ist gepflegte Fasnachtsmusik! Der nächste Raame ist ein nachdenkliches Solo, hervorragend gesprochen und gespielt. Es geht um jenes alte Thema: Darf man auf einer derart entsetzlichen Welt eigentlich noch Fasnacht machen? Antwort: Man muss!

AGB.

Didgeridoo und Muppets

Pfeifersolo mit Didgeridoo-Begleitung, dafür haben sich die Alte Glaibasler entschieden. Auf der Leinwand ein Geldsegen, im Zentrum ertönt derweil ein herrlich glitzernder «Altfrangg». Und d Rhygwäggi können einfach nur gewinnen, mit ihrem fröhlichen Medley aus der Muppets Show, komplett mit den Miesepetern Waldorf and Statler;  jetzt tanzen alle Puppen!

Alti Stainlemer.

Erste Verse

Der zweite Bangg tritt an. d Brunzguttere machen ihrem Namen alle Ehre und steigen aus einem Toi-Toi-WC ins Rampenlicht. Ihr klassischer aber schwungvoller Vortrag und ihre Pointen begeistern das Publikum. Nun kommen die Alte Stainlemer, wie immer haben sie eine ausgefallene Idee mitgebracht. Sie spielen ausschliesslich erste Verse von Märschen, Leute aus dem Publikum ziehen, während die Nummer läuft, Lose, die entscheiden, welcher Marsch als nächster drankommt. Nur der Tambourmajor sieht, was gezogen wird, das Spiel muss sich ausschliesslich nach seinen Ansagen richten. Eine Herausforderung, die bravourös gemeistert wird. 

Rhyschnogge.

«Auprés de ma blonde»

d Rhyschnogge treten mit «Auprés de ma blonde» an, frisch perlt und schäumt der Marsch, ihr Auftritt steht nämlich ganz im Zeichen eines wichtigen Bestandteils der Fasnachtsnahrung, des Biers nämlich; eine sehr beschwingte Angelegenheit. Wieder ist ein Raame an der Reihe. In diesem Stiggli soll eine Delegation aus dem Baselbiet in der Stadt lernen, wie man alles (noch) besser machen könnte. Das Paradebeispiel dieses Anschauungsunterrichts sind ausgerechnet Baschi Dürrs Glaibasler Milieu-Markierungen, die den Prostituierten ihren Platz zuweisen sollen; eine weitere gelungene Nummer.

Hunne.

Regimentstochter und Queen

Ein Näppi als Major und ein Spiel im Charivari, das kann nur die Alti Richtig sein. Optisch spartanisch, musikalisch gepflegt präsentieren sie «Donizetti und Regimentstochter», ein zeitlos klassischer Monstre-Auftritt. d Hunne sind an der Reihe, die Gugge des zweiten Teils. Mit einem tollen Bühnenaufbau, dazu gehören zwei Türme und zwei komplette Schlagzeug-Batterien, spielen sie ein richtig gutes und fetziges Queen-Medley, die Musiker kommen als Freddie Mercurys daher, der Major als Queen Elizabeth, sie reissen das Publikum von den Sitzen und spucken am Ende noch Feuer.

Breo.

Freiheitsglocke und Puppentanz

Frisch und fröhlich d Glunggi mit «Liberty Bell», auch «Monty» genannt. Der Pfeiferharst im Cowboylook. Die Trommelhunde als klassische US-Kapitalisten. Das kann einfach nicht schiefgehen, da wippen die Füsse fröhlich im Takt mit. Der nächste Raame ist ein Meisterstück, unter dem Motto «das mache mer allewyl eso» staucht ein Schyssdräggzigli seinen neuen Vordrääbler zusammen, der ebenso neue Wege durch die Stadt gehen möchte, aber da hat er sich geschnitten; ein moderner Klassiker! Prächtig dann d Breo mit ihrem «Puppedanz am Bosporus», einem wunderschönen orientalischen Auftritt, bei dem diverse Perkussionsinstrumente zum Einsatz kommen.

VKB

s Fritzli und: Bravissimo, Ensemble

Und d VKB bringt wunderbare Strassenfasnachtsstimmung ins Musical Theater, dabei kommt es zunächst zu einem kollektiven Trommelfellriss – und dann wird ein überaus gepflegtes «Fritzli» gepfiffen. Mit dem Epilog verabschiedet sich das Raame-Ensemble, dem wir zum Schluss nochmals ein Kränzchen winden wollen, den Damen, Susanne Hueber und Rula Badeen, sowie den Herren, Skelt!, Hugo Buser, Andrea Bettini und Patrick Gusset. Ihr seid aifach s Maximum: Bravissimo!

s Ensemble

Tickets für die kommenden Vorstellungen gibt es am Sonntag, 19.2.17 von 11-12 Uhr im Comité-Sekretariat am Blumenrain 16 in Basel, an der Theaterkasse im Musical Theater oder online.