Marc Lüthi an seinem Lieblingsort auf dem «Tränenplatz» hoch über dem Hörnli mit Sicht auf die Stadt.
Marc Lüthi an seinem Lieblingsort auf dem «Tränenplatz» hoch über dem Hörnli mit Sicht auf die Stadt.
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Hörnli-Friedhofsdirektor Marc Lüthi geht in Pension

Während sieben Jahren führte der scheidende Leiter des Bestattungswesens die fünf Friedhöfe von Basel-Stadt in eine Zukunft mit weniger Grabbestattungen. 

Barfi.ch: Sie waren fast acht Jahre lang «Direktor» aller fünf Basler Friedhöfe, werden am 31. Mai 2018 pensioniert. Mit welchem Gefühl verlassen Sie Ihren Posten? 

Marc Lüthi: Meine Gefühlslage ist sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite spüre ich, dass die Zeit gekommen ist zu gehen. Auf der anderen Seite war es in meinem gesamten Berufsleben die bisher schönste Aufgabe, die ich ausführen durfte. Die gebe ich natürlich nicht gerne auf. 

Wer wird Ihre Nachfolge antreten? 

Das ist Anja Bandi, die ich seit Anfang Mai einarbeite. 

Zuvor waren Sie während acht Jahren Redaktor bei der Basellandschaftlichen Zeitung bz und acht Jahre Stadtpräsident von Liestal. Wie kam es zu ihrem aussgewöhnlichen Lebenslauf? 

Das stimmt, ich habe immer nach acht Jahren den Arbeitsort gewechselt. Dazwischen war ich in der der Müllerei tätig, als VR-Präsident einer der grösseren Mühlengruppe. Das war auch mein längstes berufliches Engagement. Ich darf sagen, dass meine Arbeit auf dem Hörnli die schönste war. 

Was bewog Sie dazu aus der Lebensmittelindustrie in die Friedhofsbranche zu wechseln? 

Das Stadtpräsidium in Liestal war 2004 beendet. Danach bekleidete ich verschiedene Mandate. Durch unglückliche Umstände verlor ich mit 57 Jahren eines dieser Mandate – ein sehr grosses. Die dadurch verloren gegangenen 60 Prozent meines Einkommens brachten mich in eine sehr schwierige Situation. Ich schrieb 100 Leuten aus meinem Bekanntenkreis und erklärte darin meine Situation und dass ich eine neue Arbeit suchte. 

Kamen Antworten und Offerten? 

So viele Angebote kamen ehrlich gesagt nicht, aber: Emanuel Trueb, Leiter der Basler Stadtgärtnerei, meldete sich bei mir. Per Zufall gab es im Bestattungswesen eine Vakanz, die unbedingt kurzfristig besetzt werden sollte. Um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten, übernahm ich zunächst interimistisch die Leitung. Später wurde ich fest angestellt, offensichtlich waren meine Vorgesetzten zufrieden mit mir.

Es gibt immer wenige Erdbestattungen, was hat sich sonst noch in den letzten Jahren im Friedhofswesen verändert? 

In den letzen Jahren ist eine unheimliche Dynamik entstanden, die ich begleiten und teilweise fördern durfte. Die alten traditionellen Familiengräber und Abschiedszeremonien verschwinden immer mehr zugunsten von neueren Arten. Meine Aufgabe war es, den Leuten zuzuhören und das Angebot des Friedhofs den neuen Bedürfnissen anzupassen. Dafür finden sich auf dem Hörnli weit und breit die besten Voraussetzungen. 

In Ihre Zeit fällt auch der Bau des neuen Krematoriums. Es wurde ein schöner Neubau erstellt. Weshalb war das nötig? 

Die Technik des Krematoriums war veraltet und so schlecht, dass Anfang 2017 sogar über 700 Tote in Zürich kremiert werden mussten. Der Neubau eines Krematoriums gehörte zu einer meiner Kernaufgaben. Als ich hier begann, sagte mir Regierungsrat Hans-Peter Wessels gleich zu Beginn: «Geben Sie Sorge zu den Leuten, zum Geld und bauen Sie ein neues Krematorium.» 

Das neue Krematorium auf dem Hörnli ©Serge Hasenböhler

Seit wann werden auf dem Hörnli auch Muslime beigesetzt? 

Seit über zehn Jahren. Das Angebot wurde damals in Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei und der Basler Muslimkommission entwickelt. Auch hier gab es Veränderungen, denn anfänglich war das Angebot vor allem auf Muslime aus der Türkei ausgerichtet, heute sind es Muslime aus Nordafrika, dem Balkan und aus Asien. 

In den meisten Fällen werden verstorbene Muslime in ihren Herkunftsländern begraben. Wie viele muslimische Bestattungen gibt es jährlich auf dem Hörnli? 

Es sind nur 10 bis 20. Dieses Angebot existiert in Basel-Stad auch nur im Hörnli. Unsere langfristige Strategie sieht vor, dass die zweite oder dritte Generation Moslems in Basel bestattet werden möchten. 

Seit 2014 müssen Todesfälle im Friedhof Hörnli und nicht mehr im Basler Zivilstandesamt gemeldet werden. Weshalb wurde dies geändert? 

Bei einer Bestandesanalyse der betrieblichen Organisation stellte ich fest, dass eine Zentralisierung hier auf dem Hörnli viel sinnvoller wäre. Neben der Aufnahme der Todesmeldung können hier gleich auch die verschiedenen Grabarten gezeigt werden. Zudem gibt es einen grossen Parkplatz vor dem Haus und eine gute Anbindung an den ÖV. Nach anfänglichen politischen Widerständen konnten wir am runden Tisch allen interessierten Kreisen die Vorzüge aufzeigen und sie überzeugen. Mittlerweile existiert auch ein mobiles Angebot. Anmeldung können auch im Wolfgottesacker oder einem Altersheim erfolgen. 

Ihr Arbeitsort war das Hörnli, der grösste Park Basels. Könnte dieser nicht auch für Veranstaltungen – natürlich unter Wahrung aller nötigen Pietät - genutzt werden? 

In meiner Zeit auf dem Hörnli reorganisierten wir die Abteilung zwei Mal. Wenn ich hier weiterarbeiten würde, wäre mein nächster Schritt, das kulturelle Angebot zu vergrössern. Denn der Park eignet sich sehr gut für kulturelle Aktivitäten, das wird noch zu wenig genutzt. Es wurde bereits ein Grundlagenpapier dazu verfasst. 

Marc Lüthi nennt seinen Arbeitsort liebevoll «Friedhof im Park am Hörnli».

Woran genau denken Sie? 

Gerne erinnere ich mich an den letztjährigen Tag der offenen Tür. 90 Kinder brachten den unteren Teil des Hörnlis im Zusammenhang mit dem Festival Zeiträume mit ihrer Aktion «Steinklang» zum Klingen. Auch eine Produktion in Zusammenarbeit mit dem Theater Basel könnte ich mir gut vorstellen. Leider fehlte mir die Zeit, diesen Aspekt mehr zu vertiefen. Wenn ich hier weiterarbeiten dürfte, würde ich mich sofort darum kümmern. 

Auf dem Hörnli gibt es ein Problem mit Rehen. Welche Tierbewohner gibt es sonst noch? 

Rehe gibt es bereits seit 70 Jahren auf dem Hörnli. Wir glauben, den richtigen Weg gefunden zu haben, wie mit ihnen umzugehen ist. Bei grösseren Problemen werden wir von Fachleuten unterstützt. Mehr Kopfzerbrechen bereiten uns Dachse, die die Grabsteine untergraben und sie damit zum Kippen bringen. Daneben machen die Krähen viel Unordnung. Sie mögen das Wachs der roten Lichter gerne und verstreuen diese auf dem ganzen Friedhof. Auch den Abfall zerpflücken sie mit Vorliebe. Glücklicherweise haben wir rund um den Friedhof einen guten Hag, der die Wildschweine abhält. 

Seit vergangenem Jahr gibt es auch die Beisetzung und eine Feier für die sogenannten «Engelskinder». 

Ganz zu Beginn meiner Arbeit hier wurde ich mit der Tatsache konfrontiert, dass eine Frau einen Abort hatte und nicht wusste, was sie mit dem Fötus machen sollte. Da läuteten bei mir die Alarmglocken. Ich bin sehr froh, dass wir dieses Angebot für die Beisetzung dieser Engelskinder nun auch anbieten können. Schliesslich ist das Ziel des Bestattungswesens, für Menschen in den schwersten Stunden ihres Lebens da zu sein. 

Farbige Bänder in der Hecke erinnern an die Engelskinder.

Was war Ihr prägendstes Erlebnis auf dem Friedhof? 

Ich wurde von der Verwaltung gerufen, weil eine Frau im Hörnli vorstellig wurde, die am Tag zuvor ein Kind tot geboren hatte. Sie wollte den kleinen Sarg fotografieren. Diese Begegnung bleibt mir in Erinnerung, weil sie zeigt, wie unwichtig viele Dinge eigentlich sind. Nach solchen Erlebnissen war es schön, für ein paar Minuten die Gedanken bei einem kleinen Spaziergang im Hörnli-Park wieder zu ordnen und mich zu fassen. 

Die Eröffnung des Krematoriums bleibt mir ebenfalls in guter Erinnerung. Zwei Solisten des Basler Balletts tanzten zu einer Choreografie von Richard Wherlock, die er eigens für diesen Ort entwickelt hatte. Ein Organist des Friedhofs begleitete den Tanz am Cembalo. Das war ein wunderschöner Moment. 

Welche neuen Arten von Beisetzungen gibt es im Friedhof Hörnli? 

Die Beisetzungen in traditionellen Reihengräbern haben stark abgenommen. Nur noch 35 bis 40 Prozent der Urnenbeisetzungen finden in traditionellen Gräber statt. Der Rest sind die neuen Arten von Beisetzungen, die wir laufend weiterentwickeln. Da müssen wir am Puls der Zeit bleiben. So bieten wir auf dem Hörnli zum Beispiel den Gemeinschaftsbaum als Beisetzungsalternative an. Im Wolfgottesacker gibt es neu Grabgemeinschaften. Neue Beisetzungsarten bleiben mindestens 20 Jahre im Angebot.

Die Partnerschafts- oder Ehepaargräber sind ebenfalls neu. Es gibt bereits Wartelisten.

Dauert ein Beratungsgespräch bei so vielen verschiedenen Angeboten nicht sehr lange? 

Das Gespräch bei einer Todesfallanmeldung dauert in der Regel eine Stunde. Es darf nicht überladen werden. Deshalb müssen wir sehr gut dosieren, damit wir die Leute in dieser Situation nicht mit 20 Varianten von verschiedenen Gräbern überfordern. 

Gibt es Reaktionen aus der Bevölkerung zur Arbeit des Friedholfs? 

Ja, gewiss. Unsere Ordner sind mit jährlich über 700 grösstenteils positiven Feedbacks gefüllt. 

Wie sieht es mit Vandalen oder sonstige Ruhestörungen in der Nacht aus? 

Da das Hörnli in der Nacht geschlossen ist und sich nicht mitten in der Stadt befindet, haben wir keine Probleme damit. Anders im Wolfgottesacker: Weil die Kontakt- und Anlaufstelle (das Gassenzimmer, Anm. d. Red.) unmittelbar neben dem Eingang des Friedhofs angesiedelt ist, kommt es dort immer wieder zu kleineren und grösseren Problemen, welche die Unterstützung von Sicherheitsorganisationen nötig machen. 

Welche Projekte verfolgen Sie nach Ihrer Pensionierung? 

Ich habe im Hörnli immer 80 Prozent gearbeitet, denn es war mir wichtig daneben noch andere Projekte und Mandate verfolgen zu können. So präsidiere ich schon seit über zehn Jahren die ans Kantonsspital Baselland angegliederte Organisation SEOP (Spitalexterne Onkologie Baselland). Daneben bin ich im Verwaltungsrat einer Firma im Lebensmittelbereich, die Gebäck für Pilger herstellt und bin verantwortlich für die Buchhaltung für einige Privatfirmen. Ebenfalls auf meinem Plan stehen verschiedene Weiterbildungen.