Kaffee-Meister Benjamin Hohlmann: «Wenn der Kaffee länger als 30, 35 Sekunden benötigt, bestelle ich lieber ein Mineralwasser.» © Andreas Schwald
Kaffee-Meister Benjamin Hohlmann: «Wenn der Kaffee länger als 30, 35 Sekunden benötigt, bestelle ich lieber ein Mineralwasser.» © Andreas Schwald
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Meister der Schlürfer kommt aus Basel: «Herr Hohlmann, wie schmeckt denn Kaffee?»

Benjamin Hohlmann ist offiziell der beste Verköstiger von Kaffee – in Deutschland. Der Gastgeber des Basler Unternehmens Mitte hat im November die Cup-Tasting-Meisterschaft in seinem Heimatland gewonnen. Ein Gespräch über das beste Getränk der Welt, abgelaufene Röstdaten und warum der währschafte «Kaffi Crème» eigentlich in die internationale Liga des Espresso gehört.

Er trinkt, er schlürft, er testet und er forscht sogar über sein Lieblingsthema: Der Basler Kaffee-Guru Benjamin Hohlmann. Der Kaffeemacher mit deutschen Wurzeln hat sich mittlerweile über das Unternehmen Mitte hinaus als Förderer der feinen Bohne etabliert. Er baute unter anderem die Kaffee-Akademie in Münchenstein auf und fördert über Gastroverbände und Forschungsinstitutionen die qualitative Zubereitung von Kaffee.

Dabei ist Hohlmann mehrfach an Wettbewerben ausgezeichnet worden. Neben mehreren Podestplätzen an Schweizer Kaffee-Meisterschaften hat er sich im November 2016 den deutschen Meistertitel im «Cup Tasting» gesichert, der Königsdisziplin der Kaffeesommeliers. Er schlürfte sich im Eiltempo auf die Spitze des Podests, einen Platz vor seiner Mitte-Mitarbeiterin Theresa Prüssen. Der kernige Mann mit dem Lockenkopf gehört damit zu den Besten seines Metiers.

Ein Gespräch in Worten – und Bildern:

Herr Hohlmann, Sie müssen es ja wissen: Wie schmeckt Kaffee?

Benjamin Hohlmann: Ganz unterschiedlich. Kaffee kann ganz verschiedene Profile haben, je nach Röstung und je nach Herkunft. Ja, Kaffee kann so komplex sein wie Wein.

Also konkreter: Wie schmeckt der Kaffee in Ihrem Lokal?

Wir haben eine Mischung mit nussig-schokoladigem Geschmacksprofil. Sie ist sehr zugänglich, weil wir doch viele unterschiedliche Besucher haben. Deswegen haben wir den Kaffee so geröstet und so ausgewählt, dass sich eine breite Masse damit anfreunden kann. Gleichzeitig muss er gut mit Milch funktionieren: Er braucht die Kraft, um durch den Geschmack der Milch zu stossen. Damit kann der Kaffee auch im Cappuccino oder im Latte Macchiato eine schöne Balance mit der Milch entfalten.

Gehen wir mal davon aus, dass die meisten Leser gerade eine Tassee Kaffee in der Hand halten, zum Beispiel aus der Nespresso-Maschine. Vielleicht achten sie sich gar nicht darauf, wie das Getränk schmeckt, Hauptsache Koffein. Verraten Sie den Leuten doch kurz, was sie gerade trinken.

Das kommt sehr auf die Zubereitung und die Art des Kaffees an. Im Prinzip kann man Kaffee genau so beurteilen wie andere Getränke. Versuchen Sie mal, daran zu riechen. Achten Sie dann auf die Geschmackskomponenten: wie ist die Bitterkeit, wie ist der Körper, also das Mundgefühl, wie fühlt er sich überhaupt an? Ist der Kaffee eher wässrig oder sehr präsent und dickflüssig? Letzteres sollte bei einem guten Espresso der Fall sein. Er braucht eine gewisse Viskosität, also Dickflüssigkeit, die den Mund ausfüllt. Ich hoffe also, dass die Leser im Moment einen grossartigen Kaffee in der Tasse haben.

Und jetzt Sie, was schmeckt Ihnen besonders gut?

Ein guter Kaffee braucht Balance. Ich liebe komplexe Aromen, Geschmäcker und komplexe Säure. Säure ist für mich ein positiver Begriff, den ich auch mit einem guten Wein in Verbindung bringe. Wenn der Kaffee da eine tolle Balance hat, wenn ich feststelle, der schmeckt noch nach Äthiopien, dann ist das toll, dann gehen die Geschmacksnerven auf, dann schmeckt er wie im Ursprung. So weiss ich: Der Kaffee hat vom Produzenten über den Handel bis zum Röster und in die Tasse als Frischeprodukt überlebt.

Was schmeichelt dem Schweizer Gaumen am meisten?

Café Crème. Bei Weitem! Ein ganz tolles Getränk. Es wird hierzulande schliesslich am meisten getrunken. Ich glaube ja, dass wir den Café Crème als Getränk leider immer ein bisschen vernachlässigen. Was Italien im Bereich der Espressomaschinen ist, ist die Schweiz ja im Bereich der Vollautomaten: Nämlich Weltmarktführer. Die sind die Mütter und Väter des Café Crème. Nur haben wir nie das Bewusstsein entwickelt, zu sagen, der Café Crème ist so ein tolles Getränk wie der italienische Espresso. Jeder Barista kann ein tolles Espressorezept servieren und immer öfter eins für Filterkaffee. Aber Cafè Crème? Das ist unsere geheime Superkraft. Ich bin überzeugt: Wenn wir dieses Getränk ernster nehmen und weiter bearbeiten und definieren, dann können wir es in der internationalen Kaffeekultur genauso positionieren wie den Espresso. Wir Schweizer müssten uns da nur mehr auf die Brust klopfen. Halt eben wie die Italiener.

Sie sind Meister in dem, was Sie jetzt gerade erzählt haben. Wie lautet Ihr aktueller Titel genau?

Ich bin gerade deutscher Cup Tasting-Meister geworden. Das heisst: deutscher Meister in Kaffeesensorik. Es gibt in diesem Bereich viele nationale Meisterschaften, ich nahm bislang in der Schweiz teil, weil ich hier lebe und weil die Schweiz mein zweites Zuhause ist. Da ich aber dieses Jahr die Schweizer Meisterschaft selbst organisiert hatte, konnte ich nicht im Wettbewerb mitmachen. Also habe ich meinen deutschen Pass hervorgeholt und gedacht, mal schauen, wie das Niveau im Nachbarland so ist.

Und was haben Sie jetzt davon?

Ich darf an die Weltmeisterschaft nach Ungarn reisen und werde dort Deutschland vertreten. Dort treten fünfzig nationale Meister gegeneinander an. Auch der Schweizermeister Kevin Mohler von der Firma Delica aus Birsfelden wird teilnehmen. Für mich selbst ist das natürlich eine grosse Bestätigung, dass ich sensorisch auf einem tollen Niveau bin und mich mit vielen Röstern und professionellen Kaffeeverkostern messen darf. Denn Kaffeeverkosten ist ein Beruf und Cup Tasting ist die Meisterschaft dieser Kaffee-Sommeliers. Schon toll, da in Deutschland Meister sein zu dürfen.

Sie bilden selbst Kaffeemacher aus und das Personal des Unternehmens Mitte muss Kurse in der angegliederten Kaffee-Akademie absolvieren. Züchten Sie da quasi in Basel eine Hochburg der Kaffeekultur heran?

Ja, doch, schon ein bisschen. Da sind schon sehr viele Leute durch unsere Kaffee-Schulung gegangen. Wir bilden ja nicht nur intern aus, sondern auch viele Private, die sich eine teure Halbautomatische anschaffen und lernen wollen, wie man damit einen guten Kaffee macht. Aber ob in der Mitte, im Café Frühling oder an den Kaffee-Mobilen: Man muss bei uns quasi den Führerschein machen für die Zubereitung von Kaffee. Weil wir sagen: Barista ist ein Beruf und damit eine Tätigkeit, die ein Fähigkeitszeugnis braucht. Und diese Fähigkeit muss man erst erwerben.

Das heisst?

Jeder, der bei uns an der Maschine steht, hat eine Einstiegs- und Fortgeschrittenenschulung absolviert und nur wenn er oder sie die Prüfung besteht, dürfen die Mitarbeiter die Kaffeemaschine auch bedienen. Das ist schlicht Qualitätssicherung.

Klingt nach ziemlich viel Aufwand für eine Tasse Koffein.

Wir nehmen das ganze Thema Kaffee ernst. Wir sagen: Guter Kaffee passiert nicht von selbst. Er braucht Bewusstsein dafür, Auseinandersetzung mit dem Produkt, eben auch Schulung und Ausbildung. Dann hat der Gast – also Sie – auch Spass.

Sagen wir in aller Bescheidenheit: Bei Ihnen schmeckt der Kaffee ziemlich sicher mal gut. Und sonst so in der Schweiz?

In den Städten ist die Wahrscheinlichkeit schon grösser, dass die Cafés merken: Guter Kaffee macht Sinn, ich kann mich damit deutlich von der Konkurrenz abheben. Insofern ist Zürich eine Hochburg, auch Bern hat sich stark entwickelt. Genf und Lausanne haben einige Spezialitäten-Coffeeshops. Tatsächlich ist die Gastronomie im Grossen und Ganzen aber erstaunlich wenig konzentriert beim Kaffeemachen. Auch das Ausbildungsniveau ist nicht besonders hoch.

Woran liegt das?

Viele Gastronomen geben teures Geld für Kaffeemaschinen aus und lassen es damit auf sich beruhen. Aber diese Kaffeemaschinen – insbesondere bei den Halbautomaten, wie sie von Italien her Schule machten – funktionieren eben nicht von selbst. Dafür brauchen wir ausgebildetes Personal. Und wenn wir die Leute nicht ausbilden, dann wird der Kaffee aus dem edlen Halbautomaten eben eher schlechter als aus einer simplen vollautomatischen Maschine.

Und am Schluss ist es dann mit Koffein angereicherte Einheitsbrühe. Nicht besonders lecker.

Wenn wir in die Schulungen investieren, dann können wir uns im Markt positiv absetzen. Vor allem, weil der Kaffee in der Breite immer noch ein bisschen vernachlässigt wird. Deswegen arbeite ich auch mit verschiedenen Verbänden aus der ganzen Schweiz zusammen. Wir merken schon: Wer schult, hat mit Kaffee Erfolg. Wer die Ausbildung vernachlässigt, hat ein Problem. Dann trinken die Leute den Kaffee eben doch lieber zu Hause oder im Büro, weil von der Qualität her ein solider Kapselkaffee deutlich günstiger kommt.

Verkürzt: Guter Kaffee gleich wirtschaftlicher Erfolg?

Nun, Kaffee ist auch ein hochinteressantes Produkt, was die Marge betrifft. Und der Aufwand ist überschaubar. Klar, es braucht Schulung, aber wenn man wegen seines Kaffees einen guten Ruf hat und die Gäste deswegen auch extra herkommen, ist das für die Gastronomie wirtschaftlich sehr interessant.

Preislich liegen wir ja mittlerweile mit der Tasse Café Crème in Basel irgendwo zwischen vier und fünf Franken, bei Ihnen kostet die Tasse 4.80 Franken. Wie stark ist der Preisdruck?

Der Rohkaffee wird teurer, keine Frage. Aber man muss sich auch vorstellen: Der Rohkaffee-Preis ist immer noch sehr gering, gemessen an dem, was den eigentlichen Preis im Café ausmacht. Der grösste Teil ist der Personalkostenaufwand in der Herstellung. Deswegen lohnt es sich, beim Gastronomen seiner Vertrauens, einen Blick auf die Maschine zu werfen. Wenn er eine halbautomatische Maschine hat, ist der Preis von den Personalkosten her eher gerechtfertigt, als wenn der Kaffee quasi fixfertig aus der Konserve kommt. Ich sehe den Gastronomen aber nicht unter Druck. Die Spanne ist noch ganz in Ordnung und die Preise haben sich in Basel eingependelt. Grundsätzlich gilt auch hier: Je hochwertiger der Kaffee, desto gerechtfertigter der Preis.

Wo gehen Sie eigentlich ausserhalb der hauseigenen Cafés einen Kaffee trinken?

Ich gehe sehr gerne zu Stefano vom La Colombiana an der Güterstrasse. Natürlich, weil er als Röster selbst an der Bar steht und zeigen kann, was die Qualität ausmacht. Dann schaue ich auch gezielt, wo die Basler Röster von «Haenowitz & Page» aus dem Kleinbasel mit drin sind. Ich achte mich also vor allem auf die verschiedenen Kaffees und Röster, vor allem auf die regionalen.

Und wo löscht es Ihnen ab?

Wenn der Röster nicht weiss, was er eigentlich röstet, oder wenn er die Information zurückhält. Da löscht es mir gerade ab. Kaffee ist ein Frischeprodukt und lebt von der Transparenz. Nur darüber kann ich sicherstellen, dass ein sauberer Kaffee eingekauft wurde und nicht irgendein Billigkaffee von der Börse kommt. Oder wenn ich sehe, dass das Röstdatum schon ein paar Monate oder gerade ein halbes Jahr her ist, was bei vielen leider immer noch der Fall ist. Da drehe ich gleich wieder um. Oder wenn ich sehe, dass die Milchlanze nicht geputzt wird, ja, wenn da am Milchschäumer noch so ein richtiger Klumpen aus vergangenen Tagen dran hängt. Das geht gar nicht. Und wenn die Maschine zu schnell eingestellt ist. Wenn der Kaffee in weniger als 20 Sekunden durchläuft, dann kann das nicht schmecken. Dasselbe gilt aber auch für zu lange eingestellte Maschinen. Wenn der Kaffee länger als 30, 35 Sekunden benötigt, bestelle ich lieber ein Mineralwasser.

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Benjamin Hohlmann (33) ist Gastgeber und teilhabender Geschäftsführer im Unternehmen Mitte an der Gerbergasse 30 in Basel. Er war 2011 Gründer von kaffeemacher.ch, der mittlerweile grössten Kaffee-Akademie der Schweiz. In der Mitte gibts aber nicht nur Kaffee, sondern auch wochentags in der angeschlossenen «Kombüse» Mittagsmenüs. Seit Anfang Dezember gibt es in der Halle abends selbstgemachte Pizza zum Mitnehmen oder zur Konsumation vor Ort.