Laufend frisch produzierte Brötli In der Brötlibar.
Laufend frisch produzierte Brötli In der Brötlibar.
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Seppi Schüpfer, Präsident Basler Wirteverband: Gewerkschafter und bald SP-Mitglied?

Josef «Seppi» Schüpfer ist noch bis Ende Oktober 2018 Präsident des Basler Wirteverbandes, dem er 23 Jahre lang vorstand. Er ist ursprünglich Luzerner, Metzger von Beruf und seit Urzeiten eine der stadtbekanntesten Persönlichkeiten Basels. Barfi.ch hat sich mit dem Tausendsassa unterhalten.

barfi.ch: Hochpreisinsel Schweiz: Um die Basler Kundschaft davon abzuhalten im grenznahen Ausland essen zu gehen hat Gastrosuisse unter der Federführung des Basler Wirteverbandes die Fair-Preis-Initiative lanciert. Was ist der Stand der Dinge?

Seppi Schüpfer: Im Dezember können wir 108'000 beglaubigte Unterschriften in Bern einreichen. Die Initiative hat auch bereits gefruchtet. Jüngstes Beispiel, über welches ich mich sehr gefreut habe: Bundesrat Johann Schneider Ammann sagte unlängst, dass unsere Landwirtschaftspreise nicht mehr sakrosankt sind. Ich bin überzeugt, dass nach der Einreichung der Fair-Preis-Initiative Gespräche in den Räten stattfinden werden und daraus ein vernünftiger Vorschlag resultieren wird. Es kann nicht sein, dass die Konzerne die hohen Margen weiter beibehalten. Kosmetik-Produkte oder ähnliche Artikel dürfen ännet der Grenze einfach nicht weniger kosten als bei uns, wo sie hergestellt werden. Deshalb muss der Parallelimport zugelassen werden. 

Sie kämpfen seit Jahren für konsumentenfreundlichere Parkgebühren und sind gegen das restriktive Verkehrsregime in der Innenstadt. Was sollte die Stadt in Ihren Augen anders machen? 

Im Zusammenhang mit der eben zu Ende gegangenen IGEHO (Internationalen Fachmesse für Hotellerie und Gastronomie) wurde wieder einmal bemängelt, dass Messeleute 33 Franken Parkgebühren zahlen müssen, wenn sie ihr Auto von 19 Uhr abends bis morgens um 7 abstellen. Das ist der Wahnsinn und kann nicht sein. Beim jüngsten Beispiel Baselworld zeigt sich, dass alle Player gefragt sind. Die Messe als Vermieterin, die Hotellerie und die Restaurateure. Wobei ich Letztere insofern in Schutz nehmen möchte, dass wir das ganze Jahr hindurch die gleichen Preise beibehalten. 

Auch die Hotelpreise lassen sich international vergleichen. In den Kategorien 3 und 4 Sterne sind wir konkurrenzfähig und unser einziges 5-Sterne-Haus am Platz, das Trois Rois, hält ebenfalls internationalen Vergleichen stand. So wie wir den Flughafen, das Tram, die SBB brauchen, benötigt eine Messestadt eben auch Parkplätze. 

Sie sind, vorsichtig ausgedrückt, nicht immer glücklich mit Entscheiden, Auflagen und Schikanen von Behörden, Parlament und Regierung... 

Wichtig ist, dass für alle Marktteilnehmer gleich lange Spiesse gelten. Ich bin für einen liberalen Markt. Es kann nicht sein, dass jemand «gleicher» ist als andere. Mich stört beispielsweise, dass ein Restaurant wie «Coop to go» eröffnen darf, obwohl es nicht rollstuhlgängig ist und auch die Auflagen in Bezug auf die Personaltoiletten nicht erfüllt. 

Ein anderer Punkt ist, dass die Behörden alles aus der Stadt verbannen wollen, mit dem Resultat, dass die Stadt abends um 22 Uhr tot ist. Foodtrucks sollen die Lösung sein, die wiederum nicht die gleichen Auflagen erfüllen müssen, wie die angrenzenden Restaurants, die hohe Mietzinse bezahlen. 

An jeder Ecke schliesst und öffnet ein Restaurant. Man kann dem Tempo fast nicht Schritt halten. Was sind die Gründe dafür? 

Das Baizensterben lässt sich damit erklären, dass viele denken, es sei einfach eine Lokal zu führen. Diese Wirte geben spätestens nach einem oder zwei Jahren wieder auf und beklagen nicht nur den Verlust ihres Geldes, sondern sitzen zudem auf einem Schuldenberg. Selbstverständlich gibt es auch einzelne Jungunternehmer, leider sind das nur etwa fünf Prozent, die mit frischen Konzepten sehr Gutes leisten. Denn wie überall, kommt es auf die gute Ausbildung an. 

Hat es zu viele Baizen? 

Ich drücke es gerne so aus: wenn ich das einzige Restaurant am Barfüsserplatz hätte, käme kein Mensch. Konkurrenz belebt und lässt uns immer wieder über das eigene Angebot nachdenken. 

Der Sprecher von Pro Innerstadt bestreitet vehement ein «Lädelisterben» – Sie sehen das etwas anders. 

Er muss nur durch die Innenstadt spazieren, da ist meine Wahrnehmung eine andere. Immer wieder schliessen Läden, stehen teilweise lange leer, neue werden eröffnet. Auf einem gemeinsamen Rundgang, der zwar schon etwas länger her ist, zählten wir zwanzig Ladenschliessungen... 

Der Trend, manche sprechen auch von der Unsitte des «to go», scheint laufend stärker zu werden. Neben darauf spezialisierten Neueröffnungen, springen nun auch bekannte, traditionelle Betriebe wie Konditoreien, auf den Zug auf. Die renommierte Confiserie bietet u.a. heisse Kürbissuppe für unterwegs oder vor Ort an. Was halten Sie davon? 

Es ist ein neuer Trend, der dem aktuellen Bedürfnis zu entsprechen scheint. Kürzere Mittagszeiten sind vielleicht schuld daran. Offensichtlich muss man sich auf dem langen Arbeitsweg zwischenverpflegen. Vielleicht müssen wir Restaurateure diesem Trend entgegenwirken, indem wir nicht nur Sonntagsbraten oder Schnitzel verkaufen. Eine Möglichkeit wäre, Socken für 10 Franken anzubieten, die im Pfauen das Doppelte kosten. Oder wir könnten den Sonntagsbraten für zu Hause unter dem Preis des Metzgers abgeben. Warum nicht Schnitzel und Braten bei uns für zu Hause bestellen und abholen. Vielleicht ist die Zeit vorbei, wo man das Fleisch beim Metzger kauft, beim Coop die Lebensmittel, beim Bäcker das Brot und sich beim Restaurateur verpflegt. Wir wären wohl gut beraten, wenn wir auch auf diesen Zug aufsteigen würden.

Neustes Beispiel für Ihren Kampf gegen die Behördenwillkür: Stichwort «Forelle». Was ist passiert? 

Zwei Jahre musste ich mich mit den Behörden herumschlagen, bis ich frische «Forelle blau» in der Walliser Kanne anbieten konnte. Noch ist die ganze Sache nicht abgeschlossen, denn ginge es nach den Behörden, müsste ich u.a. ein 3-monatiges Volontariat machen, damit ich Forellen im Becken halten darf. Dabei werden Wirte im Lebensmittelgesetzt ausdrücklich davon ausgenommen. Ich bin aber überzeugt, dass wir uns am Schluss finden werden. Selbstverständlich sind nicht alle Behörden «schwierig». Gerade im Abwasserbereich fanden wir mit dem Amt für Umwelt und Energie eine gute Einigung. Leider ist das gerade nicht überall bei den zuständigen Stellen möglich. 

Sie gelten als durch und durch bürgerlich, sind Mitglied der Gewerkschaft und wollen nun sogar SP-Mitglied werden. Ein Zeichen um mit Witz gegen die Mühlen des Staates anzutreten, oder Altersweisheit. 

Das überlasse ich dem Auge des Betrachters. Im Berufsverband der Gastro- und Hotelunion, wo alle Köche organisiert sind, bin ich schon seit über zehn Jahren Mitglied. Als durch und durch liberaler Mensch, bin ich Mitglied, weil dort für unseren Berufsverband sehr viel gemacht wird. Zur Frage des Beitritts zur SP weiss ich nicht, ob man mich dort willkommen heissen würde (schmunzelt). 

Die Baselworld, eine für die Region wichtigsten Anlässe schrumpft um die Hälfte und wird um zwei Tage kürzer. Damit entgehen den Wirten hohe Einnahmen. Persönlich sollen Sie mit der Strategie von Messe Schweiz gar nicht einverstanden sein. Trotzdem spricht ihr Wirteverband Basel-Stadt davon, dass jede Krise auch eine Chance sei… 

Die Problematik liegt tatsächlich darin, dass verschiedene Player mitspielen. Wir dürfen uns nun nicht den schwarzen Peter zuschieben. Wie bereits gesagt, bleiben die Preise bei uns Wirten das ganze Jahr hindurch gleich. Sie ergeben sich durch die hohen Löhne, hohe Standortkosten und hohe Preise für Agrarprodukte, die wir bezahlen müssen. Deshalb kann man uns auch nichts vorwerfen. Tatsache ist doch, dass die Aussteller und Besucher der Baselworld problemlos auch auf andere Messestädte ausweichen können. 

Die Messe muss sich den Bedürfnissen der Aussteller und Besucher anpassen. Klar ist auch, dass alle Beteiligten über die Preise gehen müssen. Und auch die Messe muss sich überlegen, ob die Standmieten überhaupt noch konkurrenzfähig und gerechtfertigt sind. Ich bin überzeugt, dass die Baselworld ein gutes Produkt ist, wir hervorragende Hallen haben, aber beim Preis muss die Messe über die Bücher gehen. 

Wie geht es eigentlich Ihren eigenen Betrieben Stadthof, Brötlibar, Walliser Kanne? In den vergangenen Jahren wurden diese ja jeden Sommer für Wochen von Baustellen umzingelt. 

Die Baustellen sind ein sehr grosses Problem. Nachdem der Individualverkehr aus der Stadt herausgeprügelt wurde, konnte unsere Kundschaft uns wenigstens mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Mit dessen Lahmlegung wurde der Innenstadt die Lebensader abgeschnitten. Das hat uns sehr viel Geld gekostet hat. Auf das Unverständnis der Läden und Gastrobetriebe der Innenstadt stiess ferner, dass die Gleissanierungsarbeiten nicht nur im Sommer erfolgten, sondern erneut im Herbst. Unsere Mitarbeiter mit Kindern sind darauf angewiesen während der Schulferien Urlaub zu nehmen. Die Mitarbeiter können aber nicht fünf Wochen im Sommer in Urlaub und weitere fünf im Herbst. 

Der Stadthof ist einer der wenigen Betriebe, der auch sonntags geöffnet hat, die Brötlibar kennt sogar keine Betriebsferien. Die Frage ist nicht weshalb Sie das tun, sondern warum die grosse Mehrheit ihrer Mitbewerber die Tore am 7. und teilweise bereits 6. Tag jeweils schliesst?

Am Barfüsserplatz haben sonntags verschiedenen Betriebe geöffnet, unter anderem der Braune Mutz. Ganz anders sieht es in der Gerbergasse und im Rest der Grossbasler Innenstadt aus. Wegen des Casinoumbaus bleiben die Konzertbesucher aus. Früher lebte die Stadt bis Mitternacht. Heute ist sie um 22 Uhr tot. 

Was ist der Grund für Ihren grossen geschäftlichen Erfolg über Jahrzehnte hinweg, während andere Wirte ständig kommen und gehen? 

Kurz und knapp: Meine Mitarbeiter. 

Was macht Ihnen trotz der stabilen Wirtschaftslage der eigenen Betriebe geschäftlich Sorgen?

Man muss sein Konzept immer überdenken, alles in Frage stellen und gewisse Dinge ändern und anpassen. Darunter auch die Öffnungszeiten. In meinen Anfängen öffneten wir bereits morgens um sechs Uhr – heute erst um 11. 

Sie engagieren sich stark für die Interessen der Arbeitnehmer, sind an der Spitze einer Pensionskasse verantwortlich für ein Modell, das hohe Achtung und Vorbildcharakter geniesst. Was ist daran so viel besser? 

Zum einen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr gut, beide ziehen am selben Strang. Ein grosses Problem der Pensionskassen ist der Umwandlungssatz. Unsere Kasse wird diesen weiter halten können. Der grosse Erfolg unserer Pensionskasse ist der Einheitssatz ohne Diskriminierung zwischen Mann und Frau und beim Alter. Von 25 bis 65 bleibt der zu bezahlende Satz gleich hoch. Ich finde, dass in der heutigen Zeit Menschen wegen ihres Alters nicht diskriminiert werden dürfen. 

Bei anderen Pensionskassen werden ältere Mitarbeitende Ü50 zum Problem, weil bei Ihnen viel mehr abgezogen wird und Betriebe viel mehr bezahlen müssen. Als Non-Profit-Organisation weist unsere Kasse die tiefsten Verwaltungskostenprämien pro Versicherter auf. Diese liegen bei unter 70 Franken, was 2.5 Mal weniger ist als der nächste in der Liste. Ich möchte, dass Mitarbeiter, die 30 Jahre und länger bei mir gearbeitet haben, den Ruhestand geniessen können. 

Was halten Sie von Bewertungsportalen wie Tripadvisor? 

Sie sind Segen und Fluch zugleich. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jemand eine Bewertung abgibt, wenn Namen, Adresse und Telefonnummer angegeben werden. Anonyme Bewertungen hingegen gehören gelöscht, basta. 

Zum Schluss noch dies: Weshalb funktioniert die Brötlibar eigentlich nur in Basel? 

Die Brötlibar funktioniert auch in jedem Migros- oder Coop-Markt, mit dem Unterschied, dass diese Brötli mit einer morgens um drei Uhr produzierten Sulz überdeckt werden, die die Haltbarkeit verlängert. Unsere Brötli werden fortlaufend frisch zubereitet. Eine traditionelle Basler Eigenheit, die wir noch lange erhalten wollen. Und es ist doch schön, wenn einzelne Besuche sagen können, dass sie das eine oder andere Brötli zu zahlen vergessen haben. 

Vielen Dank Herr Schüpfer, wir sehen Sie dann auf der nächsten Grossratsliste der SP Basel-Stadt...

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