Seit 25 Jahren organisiert Tierarzt Markus Moser den «Notfallring der Tierärzte»
Seit 25 Jahren organisiert Tierarzt Markus Moser den «Notfallring der Tierärzte»
  • Christine Staehelin
  • Aktualisiert am

Basler Notfalltierarzt: «Nicht der Halter, sondern sein sturzbetrunkener Hund war schon mal das Problem»

Das Haustier ist ein Familienmitglied. Bei Erkrankungen und Verletzungen möchten die Besitzer sofortige Hilfe haben. Veterinär Markus Moser hat vor 25 Jahren den «Notfallring der Tierärzte» übernommen. barfi.ch konnte mit ihm über seine regulären Aufgaben, die aussergewöhnlichsten Fälle, den Wandel in der Veterinärmedizin und speziell schöne Momente sprechen. 

Herr Moser, Sie sind Veterinär und haben vor rund 25 Jahren die Organisation des «Notfallrings der Tierärzte» übernommen. Was ist die Aufgabe dieses Dienstes?

Wir sind ein Verein, der den Notfalldienst für Tiere gewährleistet, das heisst die medizinische Erstversorgung sicherstellt. 27 Tierarztpraxen in der Region Basel garantieren den 24 Stunden-Notfalldienst. Jeweils von acht Uhr abends bis 8 Uhr morgens ist der zugewiesene Arzt auf Pikett. Ein Veterinär-Mediziner hat in der Regel zweimal pro Monat Notfalldienst.

27 Tierarztpraxen gewährleisten in der Region Basel einen 24h-Notfallbetrieb ©Keystone

Im normalen Umgang mit gesunden Tieren, erlebt man viele erinnerungswürdige und lustige Momente. Gibt es das auch im Notfalldienst?

Ja, natürlich, allerdings nicht immer für das Tier selber. Beispielsweise brachte man uns zur Weihnachtszeit eine Katze. Aus ihrem Mund schaute ein Geschenkbändeli, aber auch ein weiteres aus dem Hinterteil. Wir mussten den Bauch öffnen, danach den Darm an mehreren Stellen aufschneiden und das Bändeli in mehreren Schritten herausnehmen.

Normalerweise sind es ja die Hunde, die alles mögliche und unmögliche fressen, oder trinken. Vor einigen Jahren rief der Besitzer eines Springer-Spaniels an und sagte, sein Vierbeiner torkle. Er hätte Baileys getrunken. Auf die Nachfrage, wieviel denn, lautete die Antwort «wahrscheinlich einen halben Liter». Natürlich torkelt auch ein Hund nach einer solchen Menge Alkohol. Aber es kam alles gut und der Hund war bald wieder nüchtern. 

Bei diesen zwei Fällen war die Ursache klar. Wie zeigen die Tiere sonst Ihre Gebrechen? Sie können ja dem Arzt nicht erklären, wo es sie schmerzt.

Manchmal ist es ein Vorteil, dass das Tier nicht redet. Dann beschwert es sich nicht, so wie wir Menschen (lacht). Die Tiere zeigen die Schmerzen etwa mit Hinken, einem Buckel oder dem Lecken jener Stelle, die ihnen weh tut. Als Tierarzt klärt man dann von vorne bis hinten ab, was nicht stimmt. Tiere sind manchmal wie wir Menschen in der Zahnpraxis: Sobald man beim Arzt ist, scheint der Schmerz verflogen.

Tiere können nicht sagen, wo es sie schmerz. «Manchmal ist es ein Vorteil, dass das Tier nicht redet. Dann beschwert es sich nicht, so wie wir Menschen», lacht Markus Moser © Keystone 

Was sind die häufigsten Gründe für einen Besuch beim Notfalltierarzt?

In einem Monat rufen rund fünfhundert Tierbesitzer unsere Notfallnummer an. Die häufigsten Fälle sind einerseits Erkrankungen, zum Beispiel Brechdurchfall oder Bauchweh. Anderseits kommen Katzen mit Bisswunden oder Hunde mit Schnittverletzungen von auf dem Boden liegenden Scherben.

Dies sind schlimme Verletzungen, aber gibt es auch lebensgefährliche Erkrankungen, die eine sofortige Behandlung fordern?

Der absolute Notfall beim Hund ist noch immer die Magendrehung (Hundemagen sind nur mit Bändern im Bauch befestigt und können sich deshalb etwa nach einem Sprung so drehen, dass das Blut nicht mehr zirkuliert. Anm. der Red.), wenn auch dies weit seltener als noch vor einigen Jahren vorkommt. Die Besitzer sind besser informiert und achten auf diese Gefahr. Bei den Hunden ist zudem ein wiederkehrendes Problem die Schokolade. Vor allem die dunklen Sorten sind toxisch für die Vierbeiner. Wenn ein Halter die Süssigkeiten ungenügend versorgt und sein Hund der Versuchung nicht widerstehen kann, muss er sofort zum Tierarzt.

«Röntgen, Blutuntersuchung, Ultraschall, aber auch MRI und CT sind Standard geworden», erklärt Veterinär Markus Moser. © Keystone 

Welches sind die aussergewöhnlichsten Fälle, die Sie behandeln?

Wir sind jeweils für die Erstversorgung da. Es gibt schon Fälle, wo man sich fragt, wie das geschehen konnte. In der Regel rufen uns die Besitzer an und man klärt ab, ob das Tier in die Praxis gebracht werden soll. Für die wirklich aussergewöhnlichen Fälle haben wir spezialisierte Tierärzte, die dann nach der Erstversorgung weiterhelfen. Zum Beispiel Chirurgen, Radiologen, Ultraschallspezialisten. Es gibt nicht ganz so viele Spezialisierungen wie in der Humanmedizin, aber mehr als früher.

À propos, Entwicklung: Was hat sich in den 25 Jahren, in denen Sie den Notfalldienst organisieren, geändert?

Dazu erzähle ich gerne folgendes Beispiel: Nach meinem Studium arbeitete ich in Bern als Assistent an der universitären Kleintierklinik. Damals betreute jeweils ein Assistent den Notfalldienst am Wochenende alleine. Dies ist heute nicht mehr vorstellbar. Der Klinikbetrieb läuft jetzt rund um die Uhr.

«Früher hätte kaum jemand zwischen Mitternacht und sechs Uhr in der Früh beim Notfalltierarzt angerufen. Heute ist dies regelmässig der Fall», so Markus Moser, Tierarzt in Basel. © Keystone 

Woran liegt das?

Die Leute suchen heute schneller den Notfalltierarzt. Vor zwei Jahrzehnten wartete man noch ab. Damals hätte kaum jemand zwischen Mitternacht und sechs Uhr in der Früh beim Tierarzt angerufen. Heute ist dies regelmässig der Fall. Da kann es sich auch um eine kleine Ratte handeln, wenn diese als Familienmitglied gilt. Die Besitzer möchten das Optimalste für ihre Tiere und wir bieten ihnen die nötige Unterstützung.

«In einem Monat rufen rund fünfhundert Tierbesitzer unsere Notfallnummer an», sagt Markus Moser. © Keystone 

Wie verändert sich dabei der Beruf des Veterinärs?

Die Belastung ist viel grösser geworden. Für eine Einzelperson wäre der Notfalldienst nicht möglich. Das Anforderungsprofil hat sich stark erweitert, aber dafür auch die Möglichkeiten der Behandlung.

Blutuntersuchung, Röntgen, Ultraschall, aber auch MRI und CT sind Standard geworden. In der Diagnostik und der Behandlung haben wir viel mehrMöglichkeiten. Die Narkose ist zudem viel sicherer als früher. Eine Angst davor ist heutzutage in den allermeisten Fällen unbegründet.

Worin liegt Ihre grösste Herausforderung?

Das ist ganz klar die Euthanasie. In den allermeisten Fällen müssen sich die Tierbesitzer von einem „Familienmitglied“ verabschieden. Als Veterinär muss man dem Tier einen würdigen Abschied geben. Es ist nie einfach. Man wächst an der Aufgabe.

Wechseln wir zu einem leichteren Thema. Weshalb haben Sie den Beruf ergriffen?

Ich arbeite gerne mit Menschen und Tieren zusammen. Im Alltag hat man etwa jede Viertelstunde einen neuen Patienten. Das beste Gefühl ist immer noch, wenn das zuvor erkrankte Tier nach guter Genesung wieder schwänzelt oder fröhlich miaut und die Tierbesitzer glücklich sind.

«Das beste Gefühl ist immer noch, wenn das zuvor erkrankte Tier nach guter Genesung wieder schwänzelt oder fröhlich miaut und die Tierbesitzer glücklich sind», sagt Markus Moser. © Keystone

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