Wahnsinn, wie gut manche Reiseführer Basel kennen. Bild J. Egli
Wahnsinn, wie gut manche Reiseführer Basel kennen. Bild J. Egli
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

R.I.P. «Chill am Rhy»†: Unglaublich, wo Sie Reiseführer in Basel überall hinschicken wollen

Reiseführer sind toll, sie bieten Orientierung und Hilfe im Fernen – aber was ergibt eigentlich der Heimtest? Der berühmte «Lonely Planet» etwa will Sie ans «Chill am Rhy» manövrieren, natürlich längst Vergangenheit und seltsamerweise scheint das «Acqua» der absolute Renner in der Basler Gastronomie zu sein.

Wer irgendwo im Fernen verloren ist, klammert sich noch so gerne an den Reiseführer. Sei es an den «Lonely Planet», die Bibel für Backpacker schlechthin, oder an den «Baedeker» für den gediegenen Kulturreisenden. Zwar lösen elektronische Apps den klassischen Reiseführer auf Papier zuweilen ab, aber wer sich im Busch aufhält, weiss, was er an Papier hat.

Auswärts sind die dicken Bücher also praktisch. Aber was besagt der Heimtest? Wo wollen die Sie hinschicken? Und wo findet man also die meisten Touristen? Die Resultate sind erstaunlich – und gerade die Grossen schneiden da nicht besonders gut ab. Auch wenn sie Informationen verdichten müssen, so reduzieren sie Basel meist auf zwei Dinge: Museen und Schickimicki.

1. Wo, bitte, gehts hier zum «Chill am Rhy»?

Der Lonely Planet gibt sich gleich beim ersten Tipp fürs Grossbasel eine Blösse. Man soll zum «Chill am Rhy», das sei der heisse Tipp im Sommer, unter der Münsterpfalz lässt sich die Seele baumeln. Dumm nur, dass es kurz nach der aktuellen Auflage des Schweiz-Führers aus dem Jahr 2015 zum Ende des Events kam. Kasse leer, Segel gestrichen, der heisseste Tipp führt ins Leere.

2. Der Mega-Geheimtipp: Kuppel

Die Kuppel wird in praktisch jedem Reiseführer mit jüngerem Zielpublikum angepriesen. Auch hier allerdings heisst es anrennen: Das Lokal gibt es nicht mehr, kein Kuppelbau, nirgends – und das voraussichtlich auch die nächsten zwei Jahre nicht, wie barfi.ch berichtete. So dürften sich noch ein paar muntere Backpacker im Nachtigallenwäldeli verirren, bis sie das Ersatzangebot im Acqua finden.

3. Der heisseste Food-Schuppen: Acqua. Acqua?

Was, das Acqua? Ja, schön gelegen und alles und ein ganz ordentlicher Italiener. Aber als Renner im Reiseführer? Da hat sich Unternehmer Simon Lutz gut positioniert, das Lokal neben der ehemaligen Kuppel findet in allen schicken Führern Erwähnung – sei es im «Reise Know-How» oder in besagtem «Lonely Planet». Man wird auch den Eindruck nicht los, dass man sich gegenseitig abschreibt oder das lokale Wissen aus dem gleichen Informantenkopf abschöpft. Wenn man also Touristen finden will, die Tipps aus dem Reiseführer glauben: schicken Sie ihn ins Acqua und hoffen ihn nachher nie mehr zu treffen.

4. Und so wenige Hotels...

Wo schlafen? Der Reiseführer gibt Ihnen gerne das Trois Rois an. Ja, nicht besonders überraschend, ist ja auch das einzige 5-Sterne-Hotel in Basel. Und dann? Dann folgt bald der Teufelhof mit seiner charmanten Boutique-Einrichtung, auch das Krafft ist stets eine Erwähnung wert und der «Lonely Planet» empfiehlt natürlich den Stadthof, weil er direkt am Barfi liegt, auch als Hotel dient und nicht nur wegen der legendären Brötlibar echte Kult ist.. Ansonsten? Die Jugendherberge St. Alban darf selten fehlen, vor allem in Design-Reiseführern wie in dem des Verlags «Phaidon». Das «Au Violon» ist auch ein beliebter Tipp, gerade im kulturaffinen «Baedeker» – aber alles andere? Fehlanzeige. Man darf sich jedenfalls auf ein paar Neuauflagen der Reiseführer freuen, wenn auch die neueren Lokale eine Erwähnung finden.

5. Aber ehrlich jetzt: Gibts denn hier nichts ausser Museen?

Nein. Zumindest nicht, was Sightseeing angeht. Klar, wir haben den Barfi und das Rathaus, aber da ist man schnell mal durchgerauscht und hat die Selfies problemlos im Sack. Ansonsten empfiehlt man noch so gerne die Basler Museum, schliesslich leben wir ja in einer wahrlichen Museumsstadt. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Museen für klassische und zeitgenössische Kunst, wie die weltberühmte Fondation Beyeler, das Kunstmuseum und das imposante Museum Tinguely. 

6. Na gut, es gibt noch den Fasching, äh...

Naja, die Fasnacht findet auch nur während drei Tagen im Jahr statt und dafür muss man schon ziemlich zielgerichtet anreisen. Man beschreibt sie jedenfalls gerne und je nach Publikation auch ausführlicher – mit immerhin einer Extraseite –, aber mehr ist da nicht zu holen. Und dann ist es manchmal auf bedenklichem Niveau: «Basels berühmter dreitägiger Fasching beginnt am Montag nach Aschermittwoch mit dem Morgestraich…». Naja. Und seien wir ehrlich: Eigentlich wollen wir Fasnächtler ja diese Touristen und Auswärtigen gar nicht erst dabei haben.

7. Und was, um Himmels willen, ist denn mit unserem heiligen Rhein?

Doch, ja, der wird auch erwähnt. Meist aber am Rande, zum Beispiel in Kombination mit der Basler Personenschifffahrt oder als Ort um ein Bad zu nehmen. Ortskundigere Führer, die sich komplett um Basel drehen, werden da konkreter und empfehlen immerhin die Buvetten als Aufenthaltsort. Dass der Rhein und gerade das Hafenareal zu einem lokalen Pendant des New Yorker Central Parks herangewachsen sind, davon ist aber praktisch nicht die Rede.

8. Fazit: Klischee trifft Realität

Klar, Basel ist mit seinen knapp 200'000 Einwohnern weder Weltmetropole noch richtige Grossstadt. Aber die Stadt auf ein paar Klischees zu reduzieren? Nein, danke. Da zieht der Einheimische lieber selber los, um zu entdecken. Denn die guten Sachen stehen eigentlich in keinem Reiseführer. Wer den besten Eindruck gemacht hat, ist der Reiseführer von «Merian» über Basel, der seinem Namen zum Glück alle Ehre macht. Da spielt Ortskunde zusammen mit Geschmack ein gemeinsames Spiel. Die anderen aber kommen so flach daher, wie sie es wohl auch im Ausland tun – nur merken wir es dort natürlich nicht und sind immer noch dankbar um die weisen Tipps der kundigen und profunden Reisefachliteratur.

Welche Orte würden Sie Touristen empfehlen? Berichten Sie uns davon auf Facebook. 

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