• Christine Staehelin / Binci Heeb
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Wie weiter mit der Baselworld nach Rücktritt von MCH Group-Chef René Kamm?

Es ist ein turbulentes Jahr für die Messe Schweiz. Die Baselworld schrumpfte um die Hälfte, die Messeleitung verliess auf eigenen Wunsch das Unternehmen, mit der Swatch Group zog sich der grösste Aussteller der Basel World zurück und heute Früh der Knall: René Kamm, CEO der Messe Schweiz, gab seinen Rücktritt bekannt.

  

Die Sorgenfalten sind da, natürlich. Doch die Leitung der Messe macht an einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz gute Miene zum bösen Spiel. Der personelle Entscheid beeinträchtigt augenscheinlich das Duo Vischer-Kamm nicht. «Es ist ein einvernehmlicher Entscheid», sagt Ulrich Vischer. Dass sie gemeinsam vor die Medien treten, soll unterstreichen, dass es eine Trennung im Guten sei. René Kamm bestätigt diese Aussage und erklärt, dass sowohl der Verwaltungsrat als auch er mit der aktuellen Situation unzufrieden gewesen seien. «Das war der Moment zu beschliessen, dass die Zeit für etwas Neues da ist».

Vom Messeleiter zum CEO

Unbestritten ist, dass René Kamm zunächst als Messeleiter und später als CEO der MCH Group der Messe zu erfolgreichen Zeiten verhalf. «Ich bin kein Schönwetter-Kapitän», sagt er. Und die jetzige turbulente Baselworld-Veränderung sei nicht der erste Sturm, den er überstanden hätte. Die Vergangenheit zeigt, dass die Messe Schweiz schon oft vor grossen Problemen gestanden ist. Zum Beispiel 2001 als die Eröffnung der Art Basel Miami wegen der Terroranschläge auf das World Trade Center verschoben werden musste, oder die Finanzkrise im Jahr 2008, die das Marketing-Budget der Unternehmen stark schrumpfen liess.

«Es ging blitzartig»

Dies waren jedoch Krisen, die durch externe Einflüsse ausgelöst worden sind. Im Gegensatz zu heute. Die Baselworld-Krise formierte sich durch grundlegende Veränderungen des Messe-Geschäfts. Zu schnell, zu stark sind die Transformationen. Nicht nur die Messe Schweiz, auch die Aussteller selbst wurden von der rasenden digitalen Revolution überrascht. «Die Bedürfnisse des Marktes haben sich verändert», sagt Ulrich Vischer. «In den letzten zwei, drei Jahren ging es blitzschnell». Noch vor fünf Jahren hätte man nie damit gerechnet, dass die Baselworld in diesem Ausmass an Bedeutung verliere.

Swatch Group: Gemeinsame Bekanntgabe war geplant

Noch vor zehn Jahren investierten die Aussteller eine halbe Milliarde für die Stände und bekannten sich für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre für die Messe. Auch Aussteller, wie die Swatch Group, die über die NZZ am Sonntag kommunizierte, dass sie sich aus der Baselworld zurückziehen werde. Die traditionellen Uhrenmessen seien für Swatch nicht mehr sinnvoll, begründete Swatch-Chef Hayek den Rückzug gegenüber der Zeitung. Sein Unternehmen hatte während Jahren mit fast allen seinen 18 Marken teilgenommen. «Heute ist jedoch alles transparenter, schnelllebiger und spontaner geworden. Die traditionellen, jährlichen Uhrenmessen sind darum für uns nicht mehr sinnvoll», begründet Hayek seinen Wegzug. Dass die Kommunikation über die Medien erfolge, war gemäss MCH-Führung so nicht geplant. Geplant war eine gemeinsame Bekanntgabe. Hier wurde die Messe Schweiz richtiggehend überrumpelt. 

René Kamm rechtfertigt sich

«Ich war überrascht und enttäuscht über die Begründung der Swatch Group», sagt Ulrich Vischer. «Wir respektieren den Entscheid, sind jedoch sehr enttäuscht und bedauern dies sehr». Die Swatch Group kritisierte, dass die Baselworld die Aussteller vor faits accomplis stellen würden. Dem widerspricht René Kamm vehement. Am 20. Juni wurden in einer Sitzung mit dem sogenannten Comité Suisse, das sich aus allen Schweizer Ausstellern zusammensetzt und dem auch ein hochrangiger Vertreter der Swatch Group angehört, neue Ansätze und Konzepte präsentiert. «Diese stiessen auf Zustimmung», so Kamm. Am 4. Juli seien die gesamten Aussteller informiert worden. Was genau zum Bruch zwischen der Baselworld und der Swatch Group geführt hat, bleibt vorerst noch im Dunkeln. Fest steht, dass mit diesem Knall eine neue Ära der Messe Schweiz beginnen soll.

Strategie liegt vor

Für diese Aufgabe sucht die Messe nun einen neuen CEO. «Mit dem Rücktritt von René Kamm wollen wir der anspruchsvollen Situation unserer Unternehmung gerecht werden», erklärt Ulrich Vischer. Der neue CEO solle neue Impulse setzten.  Bis es soweit ist, wird der Verwaltungsrat stellvertretend die Aufgaben des zurückgetretenen CEOs übernehmen. Die Geschäftsleitung steht hinter diesem Entscheid. René Kamm betont, dass auf der strategischen Ebene die Hausaufgaben gemacht seien. «Operativ müssen wir noch besser werden», sagt er heute. Doch dies liegt nun nicht mehr in seinen Händen.

Auf eine neue Zukunft

Die Messe Schweiz hat nun eine sehr schwere Zeit vor sich. «Es wird in näherer Zukunft nicht mehr investiert», sagt Ulrich Vischer. «Wir konzentrieren uns darauf, die Ertragskraft des Unternehmens zu steigern und eine Stabilisierung herbeizuführen».

Obwohl die Messe Schweiz sich zuversichtlich und kämpferisch gab, eines ist klar: Nichts wird so bleiben, wie es war. Am Tag seines Rücktritts sagt René Kamm: «Das Positive im Leben ist, dass man sich immer an die guten Dinge erinnert». Dieser Tag wird wohl nicht dazugehören. Dafür unzählige erfolgreiche Baselworld-Momente, die – so die Hoffnung von Stadt und Bevölkerung – die Messe Schweiz auch in Zukunft wieder erleben soll. An der Börse sorgte der Abgang von Kamm indessen für eine leichte Kurserholung bei der MCH-Aktie. Sie legte am Freitagmorgen um 2,4 Prozent zu, nachdem sie am Montag um 11,3 Prozent abgestürzt war.

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