Ein Kleiderberg um Obdachlose zu wärmen. Bilder: Facebook Heidi Mück/Facebook Musikverein Degerfelden.
Ein Kleiderberg um Obdachlose zu wärmen. Bilder: Facebook Heidi Mück/Facebook Musikverein Degerfelden.
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Riesige Solidarität für Obdachlose: Warmherzige Basler zeigen kaltherzigen Behörden wie Menschlichkeit geht

Trotz eisiger Kälte müssen Obdachlose auch bei der Basler Notschlafstelle draussen bleiben. Am Freitag hatte die Wärmestube «Soup n'Chill» die Bevölkerung dazu aufgerufen, Schlafsäcke und Decken zu spenden, um das Schlimmste zu verhindern. Die Reaktion der Baslerinnen und Basler war schnell, warmherzig – und vor allem überwältigend.

Keine «falschen Signale zu senden», trotz eiskalter Nächte: das war das Anliegen von Nicole Wagner, Chefin der baselstädtischen Sozialhilfe. Dieses «falsche Signal» wären Kostengutsprachen für Obdachlose gewesen, damit sie günstiger in die Basler Notschlafstellen gekommen wären. Denn obwohl die Notschlafstelle für in Basel-Stadt angemeldete Menschen 7.50 Franken pro Nacht kostet, ist sie für auswärtige mit 40 Franken pro Nacht massiv teurer. Damit rügte Wagner indirekt die Wärmestube und Suppenküche «Soup n'chill» – die einzige soziale Institution in Basel, die auch über die Feiertage abends geöffnet ist. Die Einrichtung hatte nämlich über 200 Bons an Obdachlose verteilt. Und das erst noch aus der eigenen Kasse finanziert, damit die Menschen der nächtlichen Kälte entkommen konnten. «Es wird immer Winter», sollen die Verantwortlichen des Vereins «Soup n'Chill» von Behördenseite zu hören bekommen haben.

Kaltherzigkeit des sozialen Basel

Die Kaltherzigkeit des reichen sozialen Basel geht so weit, dass Nicole Wagner befürchtete, man könnte als Grenzstadt im Dreiland sogar Anlaufstelle für «Obdachlosigkeitstouristen aus der EU» werden. So sagte Nicole Wagner gegenüber der Tageswoche: «Die Sozialhilfe Basel kann keine EU-politischen Fragen und Probleme lösen». Dies, weil die Wärmestube «Soup n’chill» 16 Bons an Rumänen und 13 an Slowaken abgegeben hatte.

Doch auch bei eisiger Kälte liegt der Teufel im Detail. In der Bundesverfassung steht: «Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.» Wagner sagt gegenüber der Tageswoche nur lakonisch dazu, dass man daraus kein einklagbares Recht herleiten könne. Dass man allerdings gut erfrieren kann, bis fertig geklagt ist, scheint die Leiterin der Sozialhilfe wenig zu stören. Seit es kalt ist, hatte die Notschlafstelle im Schnitt 20 leere Betten pro Nacht. Das Signal scheint den Behörden am Ende aber wichtiger, als «auswärtige» Menschen aufzunehmen und das Risiko einzugehen, dass jemand erfriert. Wohlgemerkt wären die vierzig Franken dank der Bons ja finanziert.

Harte Fronten

Die Fronten sind festgefahren. Jetzt haben die Baslerinnen und Basler die Menschenhilfe in die eigene Hand genommen. Sie haben Geld gespendet, Kleider, Decken und Schlafsäcke im Gundeli vorbeigebracht. In der Hoffnung, dass Schlimmste vermeiden zu können. Unterdessen schreibt der Verein «Soup n'Chill» sogar, dass vorerst genügend Material vorhanden sei, die Lagerungsmöglichkeiten seien «derzeit erschöpft». Derweil die Solidaritätswelle mit Obdachlosen nach den Medienberichten von vergangener Woche anhält. Auf Facebook organisierte sich unter anderem  eine Gruppe mit dem Titel «Sammelaktion beim Schwarzen Peter». Die zählte am Montagmittag knapp 90 Mitglieder und ruft dazu auf, beim Basler Verein für Gassenarbeit «Schwarzer Peter» warme Sachen abzugeben.

Am Ende bleibt zu hoffen, dass sich die Behörden im «sozialen Basel» gerade in eiskalten Nächten nicht nur auf kalte Paragraphenreiterei konzentrieren, sondern versuchen, Herz zu zeigen – wie die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt selbst. Denn ein leeres Bett nützt sowieso niemandem. Am Ende bekam das «Soup n'chill» gar noch Hilfe aus der EU: Im benachbarten Rheinfelden (Baden) sammelte der Musikverein Degerfelden einen ganzen Bus voller Schlafsäcke, Schlafmatten und Decken.

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